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Helfersyndrom reloaded

Erschienen in: Psychologie heute, Februar 2009

Von Alfred Adler wird erzählt, dass eines Tages ein Mann in seine Praxis kam. „Ich leide an einem Minderwertigkeitskomplex, Herr Dr. Adler“, soll der Hilfesuchende gesagt haben. „Wissen Sie, was das ist?“ Adler wusste es nur zu gut, denn er hatte diesen Begriff formuliert.
Mit dem Helfersyndrom ist es nicht viel anders. Ein Pflegelehrer hat mich einmal gefragt, ob ich wüsste, dass alle seine Schüler immer wieder vom Helfer-Syndrom reden, als sei das eine Störung, die andere haben, sie aber nicht.

Das Buch über „Hilflose Helfer“, in dem ich diesen Begriff eingeführt habe, erschien 1977. Der Reformoptimismus der 68er verebbte. Die Bewegung hatte sich zersplittert, auf dem langen Marsch durch die Institutionen aufgezehrt. Ich arbeitete seit 1973 selbst mit Gruppen und suchte Kontakt zu anderen Therapeuten, deren Gemeinsamkeit vor allem ihre Distanz zu den etablierten Therapieausbildungen war, die wir als zwanghaft, verschult, kurzum als reaktionär ablehnten.
Es war eine bewegte und bewegende Zeit, in der ich Illusionen über die Möglichkeiten, durch Gruppenanalyse „befreite Gebiete“ in einer repressiven Gesellschaft zu schaffen, aufbaute und wieder revidierte. So wurde ich Gründungsmitglied und eine Weile auch Vorstand in zwei analytischen Instituten. Als der Autor an Bord erfand ich die Namen („Gesellschaft für analytische Gruppendynamik“ und „Münchner Arbeitsgemeinschaft fürPsychoanalyse“, abgekürzt GaG und MAP). Ich schrieb die ersten Ausbildungsordnungen nach unseren Vorstandsbeschlüssen. Es kennzeichnet die Dynamik von Institutionen, dass meine damaligen Texte drei hektographierte Seiten umfassten, während später die Ausbildungsrichtlinien einen Schnellhefter mit zweihundert Seiten füllten. Heute sind sie auch im Internet abrufbar.

Beide Institute haben sich im Lauf der Zeit die Anerkennung der Dachverbände bzw. der Ärzte- und Psychotherapeutenkammern erkämpft. In den siebziger Jahren war die persönlichkeitsorientierte Fortbildung eine große Innovation in den sozialen Berufen. Ich verbrachte viele Wochen dieser Jahre damit, Selbsterfahrungsgruppen zu leiten, in denen Lehrer, Sozialpädagogen, Psychologen und Ärzte „etwas für sich tun“ wollten. Daraus schälte sich ein bestimmter Menschentypus, eine spezifische Charakterstruktur heraus, die ich erst das „soziale Syndrom“ und später das Helfersyndrom nannte.
Von dem Erfolg des Buches über „Die hilflosen Helfer“ war ich überrascht. Ich hatte es als einen Werkstattsbericht verstanden. Es ging um Fragen, die sich aus der Arbeit ergaben, in die ich hineingestolpert war: was sind die problematischen Anteile an den Beweggründen, anderen zu helfen? Wie hängen sie mit der Gesellschaft und mit den Institutionen zusammen, welche das Schicksal der Samariter von heute prägen?

Kleists Narzissmus

Vortrag auf der Jahrestagung der Heinrich-von-Kleist Gesellschaft in Berlin, November 2008

Jemanden wie Heinrich von Kleist würde man heute in die Psychiatrie stecken. Schon als Kind sei er, so ist es überliefert, ein nicht zu dämpfender Feuergeist gewesen – man hätte ihm heute das Zappelphilippsyndrom zugeschrieben, und Pillen gegen ADHS hätte er bekommen, um den krassen Wechsel zwischen Hyperaktivität und Depressivität ins Flussbett der Gewöhnlichkeit hineinzudämmen. Aber könnten wir dann dieses grandiose dichterische Werk bewundern?

So schreibt der Germanist Hermann Kurtze in einer Sammelrezension neuer Kleist-Biographien. Ich widerspreche dem. Kleists Verhalten wäre gegenwärtig nicht unproblematisch, gewiss. Vielleicht würde er wie manche unter den Hochbegabten auch die eine oder andere Borderline-Diagnose von einem medizinischen Sturkopf  abkriegen, der nicht klug genug ist, um sich in eine komplizierte Seelenverwirrung einzufühlen. Aber er käme gewiss nicht in die Psychiatrie; vielleicht würde er sogar nach einer Lehranalyse selbst Psychiater oder Psychotherapeut.
Es würde sich zeigen, dass er in eine Gruppe junger Menschen gehört, die in der Moderne und Postmoderne umfangreicher geworden ist und sich vielleicht am besten in den Begriff der verlängerten Adoleszenz fassen lässt. Er war, nicht nur in seinem Werk, sondern auch in seiner Persönlichkeit, seiner Zeit zu weit voraus.
Kleists Problematik ist heute sozusagen Allgemeingut geworden. Während zu seiner Zeit Menschen sich entweder in feste Karrieren (und feste sexuelle Identitäten) pressen lassen mussten oder aus der Gesellschaft herausfielen, gibt es heute zahlreiche Hochbegabte, die neben einer grossartigen künstlerischen Produktivität im Alter von dreissig, ja vierzig Jahren ihren Platz im Leben so wenig gefestigt haben wie ein klares Bewusstsein darüber gewonnen, ob sie Wissenschaftler sind oder Menschen der Tat, Maler oder Dichter, mehr für Mathematik begabt oder für Sprachen, in einer hetero- oder in einer homosexuellen Beziehung leben wollen.
Das Konzept, mit dem sich die moderne Psychoanalyse diesen Personen nähert, ist das einer Störung des Selbstgefühls, des menschlichen Narzissmus.
Freud hat den Narzissmus-Begriff aus einer wissenschaftlichen Strömung gefischt, die um die Wende zum 20. Jahrhundert sehr in Mode war und von deren Kraft auch er profitierte: der Beschreibung und Klassifikation sexueller Verirrungen, mit denen die aufstrebende Psychiatrie nach gesellschaftlicher Geltung suchte.
Narzissmus ist nach den Vorarbeiten des deutschen Psychiaters Paul Näcke und des amerikanischen Psychologen Havelock Ellis als sexuelle Besetzung des eigenen Körpers definiert. Sie wird eher Frauen als Männern zugeschrieben und äußert sich darin, dass der Anblick von Körperteilen oder eines Spiegelbildes sexuell erregend wirkt und Selbstbefriedigung induziert.
Die Störung sei extrem selten, bemerkt  Näcke um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Er hatte den Begriff in die Nervenheilkunde eingeführt. Näcke gibt an, das Vollbild des Narzissmus unter 1500 untersuchten Psychiatrie-Patienten nur einige Male gefunden zu haben. Das liegt daran, dass Näcke ausdrücklich fordert, Narzissmus und Eitelkeit zu unterscheiden; Narzissmus in seinem Sinn liege nur vor, wenn jemand ausschließlich durch den Anblick des eigenen Körpers in sexuelle Erregung gelange.
Der Begriff orientierte sich also eng am griechischen Mythos, der von Kennern als „moralische Fabel“ eingestuft wird.  Narziss ist dort ein Liebes-Verweigerer, der mit unerfüllbarer Selbstliebe gestraft wird und zu verschmachten droht, ehe er durch die Verwandlung in eine Blume erlöst wird, die sich – wie er – am Rand von Gewässern in diesen spiegelt.

Bond auf der Couch

Gibt es das: den hysterischen Mann?

Aber ja, und James Bond ist einer seiner Prototypen. Er lebt in einer Dauer-Adoleszenz, er wird nie erwachsen. Statt selbst zum Vater zu reifen, scheint er den bärbeissigen M. lebenslang als Vaterersatz zu brauchen. In der Erotik ist er an den Potenzbeweis fixiert. Auch sonst erinnert sein Lebensstil an den Playboy. Nur das Beste ist gut genug und alles, was nicht grossartig ist, ist langweilig.

Die moderne Hysterie, die wir seit Flauberts Roman über Emma Bovary beobachten können, hängt mit unerfüllten narzißtischen Ansprüchen zusammen. Der Hysteriker ist schlecht darauf vorbereitet, sich in der Suche nach sexueller Befriedigung an seiner Lust und an den gesellschaftlichen Normen zu orientieren. Das würde ja auf Beziehungen hinauslaufen, die „nur“ real-befriedigend sind, die keine Aufwertung, nichts Überoptimales versprechen. Sie würden ein stabiles Selbstgefühl voraussetzen, das nicht den Kick braucht, um dem Elend zu entgehen.

Das Selbstgefühl des Hysterikers ist deshalb wenig stabil, weil er sich nicht ausreichend, d.h. strukturbildend mit einem Elternteil identifizieren konnte. James Bond hat mit seinem Autor Jan Fleming das vaterlose Aufwachsen gemeinsam. Seinem Romanhelden lässt Fleming gleich beide Eltern sterben, als der kleine James neun Jahre alt ist. Dass das eine extrem traumatische Erfahrung ist, wird mit keinem Wort erwähnt. Als nächstes biographisches Detail über Bond erfahren wir, dass er ein von diesen Eltern ererbtes Vermögen hat, das ihn unabhängig macht, und im Alter von 16 Jahren in Paris Unschuld und Brieftasche verliert.

Fleming selbst, 1908 geboren, verlor seinen Vater noch früher. Major Fleming, ein konservatives Parlamentsmitglied, fiel im ersten Weltkrieg. Fleming wuchs in einer sehr ambivalenten Beziehung zu einer lange Zeit übermächtigen Mutter auf. Von Evelyne St.Croix Fleming konnte er sich äusserlich wohl erst befreien, als er die von ihr vorgeschriebene Karriere in Eton und Sandhurst „schmiss“ und ins Ausland ging. Fleming hat spät geheiratet (mit 45 Jahren) und ist relativ jung (mit 56) gestorben. Er hatte einen Sohn, Caspar, für den er ein liebenswürdiges Kinderbuch über ein Zauberauto schrieb. Den Selbstmord dieses Sohns im Alter von 23 hat der Vater nicht mehr erlebt.

Fleming hat Bond in vielen Details als anderes Ich gezeichnet – die Sprachkenntnisse (Fleming studierte in München und Genf), die Karriere bei der Marine, die Tätigkeit im Geheimdienst, die Liebe zum Roulette und zum Alkohol. Bond ist der Sohn eines schottischen Vaters und einer Schweizerin. Die Eltern stürzen im Gebirge ab. Der Held bleibt bindungsscheu, er ist ein kompensierter Alkoholiker (wenn er keinen Auftrag, keine fordernde neue Liebschaft hat, versumpft er und betäubt seine Depressionen mit Alkohol – „geschüttelt, nicht gerührt!“)

Bestrafte Treue

Wenn mein Internetzugang wieder einmal streikt, treffe ich sogleich alle Anstalten für eine Reparatur. Ich rufe meine Tochter Lea an. Sie erkennt schon am Ton meiner Stimme, dass ich vom Netz abgeschnitten bin. Lea ist die Elektronik-Spezialistin der Familie, seit sie noch als Schülerin von einem befreundeten Microsoft-Mitarbeiter die ersten Einweisungen in die DOS-Welt erhalten hat. Sie ist manchmal gestresst. Sie hat unter ihrer Begabung zu leiden, denn sie hat eigentlich einen ganz anderen Beruf und ich bin keineswegs der einzige, der mit solchen Nöten bei ihr Zuflucht sucht. Sicher wünscht sie sich manchmal, blöder zu sein, dann hätte sie öfter ihre Ruhe.
Diesmal haben wir herausgefunden, dass das DSL-Modem manchmal Aussetzer hat, und haben an seiner Stelle eine Fritz-Box eingebaut. Das klingt für mich eindrucksvoll, weil ich keine Ahnung habe, was der Unterschied zwischen beiden ist. Aber bei dieser Gelegenheit sind wir dank einer eingebauten Schlauheit dieser Fritz-Box auch darauf gekommen, dass mein vor zwei Jahren gekaufter DSL-Zugang viel zu langsam ist. Seit einem Jahr lebe ich in einem Zustand, in dem ich für die Treue zu meinem Anbieter systematisch bestraft werde. Wenn ich den Vertrag nach einem Jahr gekündigt und einen neuen abgeschlossen hätte, würde ich die vierfache Datenmenge für das gleiche Geld bekommen, oder die gleiche Datenmenge für einen deutlich reduzierten Preis.
„Das kann doch nicht wahr sein! Da wird man ja als Kunde für seine Treue bestraft!“ sagte ich.
„Davon leben die“, entgegnet meine kundige Tochter. „Ist dir das noch nicht klar geworden? Neulich hab ich dem H. hundert Euros pro Monat gespart, weil der einfach seine alten Verträge immer weiter hat laufen lassen. Und wenn die Anna (ihre jüngere Schwester) im Monat über hundert Euro vertelefoniert, liegt das nur daran, dass sie nicht aufgepasst hat; ich telefoniere mehr als sie und zahle nur einen Bruchteil!“
Sie hat sich dann ans Telefon gehängt, den Anbieter angerufen, ihm ganz sachlich erklärt, dass doch für die bezahlte Flatrate inzwischen sehr viel mehr Daten fliessen müssen, hat sich erklären lassen, wie man den Vertrag ändert, das Formular aus dem Internet geholt, ausgefüllt, ausgedruckt. Ich musste nur noch unterschreiben und faxen.
Dann hat sie mich noch belehrt, dass mein Firefox total veraltet ist, hat die neueste Version aus dem Internet geladen, hat sich drei Krimis geliehen – denn eigentlich ist sie krank und müsste im Bett liegen – und ist nach Hause gefahren.
So ist das also mit dem Lohn für die Treue!

Hilfe! Eine Kleinigkeit verfolgt mich! (Oder ich sie?)

Heute, in der Schlange bei Penny – ich achte ja nicht so genau darauf, ob die Beträge auch stimmen, aber als bei der Packung mit Birnen „rote Äpfel“ aufleuchtete, sagte ich doch: das waren Birnen! Die Verkäuferin puzzelte an ihrer Tastatur, versuchte vergeblich, die Tüte so in den Scanner zu quetschen, dass er erkennend piepte, gab schließlich einen Code ein. Als sie die Summe nannte, wunderte ich mich kurz, aber ich wollte die Schlange nicht noch einmal aufhalten, zahlte und ging. Zuhause aber griff ich doch nach dem Kassenbon, – und in der Tat: da standen die roten Äpfel, 2.45 Euro, die Birnen 1.89,und ich hatte nur die Birnen!

Ich ärgerte mich. Zurückfahren, vielleicht erinnerte sich die Verkäuferin noch? Aber das waren die 2.45 Euro nicht wert, soviel Zeit und Kraft aufzuwenden. Ich beschloss, den Irrtum zu ignorieren.
Ich verdiene gut und kaufe – wie die Szene lehrt – in der Regel nicht teuer ein. Auch zehn solche Versehen würden mir nicht wirklich wehtun. Dennoch konnte ich die Sache nicht vergessen und fing daher an, das Psychologenhirn anzuwerfen. Nein, es war nicht der materielle Verlust! Es war die narzisstische Kränkung. Ich hatte nicht aufgepasst. Ich war nicht wehrhaft genug gewesen, angesichts der ständig drohenden Gefahren in unserer Welt ein Zeichen, dass ich nicht so genau, so fit, so schnell, so achtsam war, wie es mein Selbstbild verlangte. 2.45 Euro sind eine Kleinigkeit; ein Versager zu sein vor dem Ideal des fitten Zeitgenossen gewiss keine.
Als ich noch diesem Gedankengang nachhing und ihn damit verknüpfte,dass er vielleicht mit dem Älterwerden zu tun hat, kreuzte ein anderer Gedanke diese Bahn. War ich nicht verteufelt kleinlich, ja geizig, dass ich nicht aufhören konnte, mich über diesen lächerlichen Betrag aufzuregen, dass ich mir Gedanken machte, ob jetzt der Penny-Konzern oder die ungeschickte – oder vielleicht gar tückisch-berechnende – Kassiererin meine 245 Cent einsackte?
Warum fand ich nicht schneller in die Entspannung zurück? Sich über solche Nadelstiche zu ärgern, sich den Kopf zu zerbrechen, das war doch wirklich nicht großzügig, nicht großmütig, nicht ausgeglichen, wie ich es sein wollte, schon um keinen hohen Blutdruck zu haben – wann hatte ich nun den zuletzt messen lassen? Schon lange her, viel zu lange!
So kann eine Angst der anderen die Hand reichen: die Angst vor Kontrollverlust der Angst vor moralischem Versagen der Angst vor dem Schaden an der Gesundheit. Die Leserin, der Leser sehen: ich schreibe nicht nur über Ängste, behandle sie nicht nur, ich habe sie auch, immer wieder, mehr als mir lieb ist. Und wenn es mir schon so schwer fällt, den Mini-Piekser der 245 Cent für nicht erhaltene rote Äpfel zu vergessen, ist das doch hilfreich, sich in die Menschen einzufühlen, die mit ihren absurden Ansprüchen sich und andere quälen. Von ihnen können wir täglich in den Zeitungen lesen.

Mit dem Moped nach Ravenna

Mit dem Moped nach Ravenna ist der zweite Teil einer autobiographischen Erzählung, die mit Eine Kindheit in Niederbayern begonnen hat.

Es geht um die Zeit zwischen 16 und 21 Jahren. Historisch: um die Jahre 1957 bis 1962; psychologisch: um den Verlust der Kindheit und das Interesse an Maschinen, um Fernweh, die erste Begegnung mit dem Meer, um Intellektualisierungen, erste Erfahrungen mit der Sexualität und mit dem Schreiben.

Leserinnen und Leser der Nachkriegsgeneration haben an diesem Buch gelobt, dass es die eigene Jugend greifbar macht.

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Freuds Dilemma

In diesem Buch geht es um die Spannung zwischen wissenschaftlicher Fundierung und künstlerischer Praxis der Psychoanalyse bzw. der Psychotherapie. Sie wird an einer kunsthistorischen Fehlleistung Freuds aufgezeigt.

Dieser hat den Gegensatz der Skulptur, die durch Wegnehmen arbeitet, gegenüber Plastik und Malerei, die etwas hinzufügen, nicht – wie es richtige wäre – mit Michelangelo, sondern mit Leonardo da Vinci verknüpft. Es lässt sich nachweisen, dass ein mit der Metapher des „Wegnehmens“ (der Psychoanalyse) und „Hinzufügens“ (der Suggestion und stützenden Behandlung) formulierter Gegensatz keineswegs so klar ist, wie ihn Freud mit rhetorischen Kunstgriffen zu formulieren suchte. Erst wenn wir diesen Schematismus überwinden, können wir uns den Eigentümlichkeiten der Psychotherapie nähern und erkennen, dass ihre Grundlage nicht angewandte Wissenschaft, sondern kreative Professionalität ist.

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Die verletzte Narzisse

Britney Spears aus der Sicht des Narzissmusforschers

Teenie-Star ist ein verächtliches Wort. Es sagt etwas über die Angst der Älteren. Teenie-Stars sind keine süssen Kinder, sondern hart arbeitende, zielbewusste Künstler, Jäger des Ruhms, die begriffen haben, wo sie den Weg zur Spitze suchen müssen. Der Mensch erreicht mit 14 Jahren den Höhepunkt seiner geistigen und physischen Leistungsfähigkeit. Niemals wieder wird er so schnell denken, unbekannte Probleme lösen, sich nach Verletzungen erholen können. Natürlich fehlt den jungen Frauen und Männern die Erfahrung. Aber was ist Erfahrung? Erfahrung mag ausnahmsweise auch einmal weise machen; die meisten Menschen engt sie ein.
In einer Zeit, in der andere die Pubertätspickel überschminken lernen und über den Notenschnitt im Abitur nachdenken, ist Britney Spears bereits ein Superstar: Sie hat mit 17 gleichzeitig Platz eins der Album- und Single-Charts belegt. Baby One More Time ist bis heute das meistverkaufte Debütalbum, das je in den USA erschien.
Oops! … I did it again, das zweite Album, verkaufte sich in der ersten Woche weltweit 3,8 Millionen Mal. Dies schaffte bis heute kein anderer Künstler.
Das ist dieselbe Britney Spears, die durchgeknallt, mit Drogen vollgepumpt, die verrücktesten Dinge anstellt: Sie heiratet und lässt nach 58 Stunden ihre Ehe anullieren; sie zeigt sich ohne Unterwäsche den Paperazzi, begeht Fahrerflucht nach einem Unfall, lässt sich alle Haare rasieren, um einem Drogentest vorzubeugen. Zur Zeit prozessiert sie um das Sorgerecht für ihre Kinder, das angesichts ihrer Unzuverlässigkeit ihrem Ex-Ehemann zugesprochen wurde.
Ein Rätsel?
Der Narzissmusforscher liebt es, solche Rätsel umzudrehen. Nicht zu fragen: wie werden aus braven Kindern Verbrecher? Sondern zu fragen: wie kommt es, dass sich der Zweijährige, der angesichts der kleinsten Versagung in Wut, Trotz und Rachsucht ausbricht, zu einem (einigermassen) disziplinierten Schulkind entwickelt?
Britney Spears ist ist das mittlere der drei Kinder von James P. Spears und Lynne Irene Bridges Spears. Eine solche Rolle zwingt schon früh in die Bemühung, sich zu beweisen. Der grosse Bruder hat seine Rolle, die kleine Schwester hat die ihre – die Mittlere muss sich eine Sonderrolle schaffen. Immer wieder beobachten wir, wie die mittlere Schwester von dreien aus der Rolle fällt, unangepasst ist, den Familienkonsens zertrümmert. Sie kämpft darum, aufzufallen. Britney Spears ist zweifellos hoch begabt, bildschön und von schneller Auffassungsgabe. Ihre Karriere ist hart erarbeitet. Wer sich über ihren Absturz erregt, sollte das Lichtenberg-Zitat bedenken: „Wer über bestimmten Dingen den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren!“

Die Kentaurin

Dieses Buch ist ein Roman über die deutsche Geschichte zwischen 1914 und 1988 – der Lebensspanne der „Kentaurin“, einer zurückgezogenen, hochbegabten Frau, die ihren Jugendtraum – das Studium der alten Sprachen – als verwitwete Mutter zweier Söhne verwirklicht.

Sie studiert die griechischen Quellen im Orginal und erforscht schliesslich, nachdem ihre Kinder versorgt sind, auf zahlreichen Reisen die Welt der antiken Mythen und Religionen.

Viele Fäden sind in dieser Erzählung verwoben: die Tragik des deutschen Bildungsbürgertums im Dritten Reich, die Sehnsucht des Nordens nach dem Süden, die antiken Wurzeln des christlichen Glaubens und der Versuch, auf diesem Weg die Engherzigkeiten einer Klostererziehung zu überwinden.

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Mythos und Psychologie

Zum 100jährigen Jubiläum des Verlages hat mich Ernst Reinhardt eingeladen, meine 1970 dort erschienene Dissertation neu herauszugeben.

Ich habe das mit viel Freude und Einsatz gemacht, weil mich das Thema immer noch interessiert und ich in letzter Zeit, im Zusammenhang mit meinen Interessen für die Psychoanalyse von Institutionen und Organisationen, auch in dieser Richtung weiter geforscht habe.

In dem Buch wird die psychologische Deutung von Mythen dargestellt und kritisch geprüft, wobei das Hauptbeispiel der Ödipus-Mythos ist. Das Ergebnis, kurz gefasst: Der mythische Ödipus handelte wahrscheinlich nicht aus der Dynamik heraus, die Freud später als Ödipuskomplex beschrieben hat.

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