Alle Artikel mit dem Schlagwort: Narzissmus

Der Mensch als Bombe – explosiver Narzissmus

Auszug:
Da Eis nur ein wenig leichter ist als Wasser, sehen wir neun Zehntel eines Eisberges nicht. Die Spitze des Eisbergs ist ein Bild für die erdrückende Übermacht des Unsichtbaren gegenüber dem Sichtbaren. Sie ist ein Hinweis auf die trügerischen Gewissheiten unserer Wahrnehmung, auf die Illusion, wir hätten mit unserem Blick auf das treibende weiße Gebilde das Wesentliche bereits erfasst und könnten nun daran gehen, ihm auszuweichen.
Die Spitze des Eisberges ist auch eine Metapher für unsere Psyche: nur ein Bruchteil dessen, was sich in ihr abspielt, wird uns bewusst. Wir wissen wenig, ahnen so manches, müssen uns öfter, als [...]

→ weiterlesen.

Massenmord als narzisstische Geste des 21. Jahrhunderts

Dieser Artikel erschien gekürzt und unter einem anderen Titel am 27.7.2016 im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung

Nach Winnenden, Erfurt, Würzburg, nach Charleston und Columbine High School jetzt also auch München. „Sinnlose“ Massenmorde durch Halbwüchsige mit automatischen Waffen gehören zu den großen Gesten in den Konsumgesellschaften des 21. Jahrhunderts. Sie werden zunehmen und uns bedrohen, bis wir ein wirksames Gegenmittel finden.
Die meisten gewissenhaften Selbstbeobachter werden zugeben, dass ihnen Mordimpulse nicht gänzlich fremd sind. Kaum einer hat das in einer so schönen Mischung von Idylle und Schauder vorgetragen wie Heinrich Heine:

„Ich habe die friedlichste Gesinnung. Meine Wünsche sind: eine bescheidene

[...]

→ weiterlesen.

Sexuelle Gewalt und männlicher Narzissmus

Die Silvesternacht in Köln, ein paar Wochen vor dem Karneval, Feierlaune, Betrunkene, die nicht vorsichtig genug mit ihren Böllern und Raketen umgehen – und plötzlich kippt die Szene, wird zum sexualisierten Mobbing, zur spontan organisierten männlichen Kriminalität gegen Frauen. In der Folge schrille Fragen nach dem Zusammenprall von Kulturen, dem Umgang mit Migranten. Auf Veranstaltungen der rechten Szene wird ein T-Shirt verkauft, auf dem eine Frau vor Männern flieht; Text: Rapefugees not welcome. Die Ereignisse am Kölner Hauptbahnhof haben ein Phänomen nach Deutschland transportiert und unter ein politisches Vergrößerungsglas gelegt, das sich an vielen Orten in der Welt schon geraume [...]

→ weiterlesen.

Die Justiz schweigt

Warum wir den Grund für das Morden nicht wissen wollen – und wie weit der Weg ist, um der Gefahr zu entkommen

„Es ist schwer, das Unfassbare zu begreifen.“ „Wir werden es wohl nie verstehen.“ Der erste Satz kommt aus einer aktuellen Tageszeitung nach dem rassistischen Massenmord an Kirchgängern in Charleston, Süd-Carolina. Der Täter, ein weißer 21jähriger, erschoss neun Menschen in einer vorwiegend von Schwarzen besuchten Kirche, nachdem er eine Stunde an der Bibelstunde teilgenommen hatte. Der zweite Satz stammt von dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton. Er fiel nach dem Massaker an der Columbine High School. Einige Monate vor Charleston [...]

→ weiterlesen.

Der (einst) geliebte Mörder

Am 10.Juli 2013 bewaffnete sich ein 38jähriger Streifenpolizist in einem Münchner Vorort mit seiner Dienstwaffe und einem Revolver. Er fuhr zur Arbeitsstelle seiner Lebensgefährtin, die sich vor kurzem von ihm getrennt hatte; die fünfjährige Tochter des Paars war um diese Zeit bei seinen Großeltern untergebracht. Die Eltern waren sich über das Sorgerecht nicht einig geworden. Der Vater holte die Mutter aus ihrem Betrieb, um mit ihr über das Kind zu reden. Nach einem kurzen Gespräch richtete er seine Dienstwaffe auf sie und schoss das ganze Magazin leer. Sie war sofort tot. Der Täter stieg in sein Auto und erschoss sich [...]

→ weiterlesen.

Der Wirt Butterblume

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf scheinbar „gleiche“ seelische Belastungen. Sexueller Missbrauch führt einmal in ein von Angst und Scham gezeichnetes Leben, ein anderes Mal scheint er eine normale Entwicklung nicht zu beeinträchtigen. Ein Opfer wird von quälenden Erinnerungen heimgesucht und findet nie in ein normales Familienleben, ein anderes entwickelt sich unbeeinträchtigt und erinnert sich erst an das Trauma, als es darüber in der Zeitung liest – ach ja, ich war auch einmal in diesem Internat, diesen Erzieher kenne ich, der ist auch zu mir ins Bett gekommen, widerlich das, ich hatte es vergessen!

Angesichts einer körperlichen Verletzung orientiert sich der [...]

→ weiterlesen.

Dumme Dinge oder wie die Konsumwelt unsere Intelligenz ruiniert

Eine gekürzte Version dieses Artikels ist in der Ausgabe 03/12 von "Psychologie heute" erschienen
Es ist eine abgründige Frage, warum Menschen das Richtige erkennen, es billigen – und dann doch das Falsche tun. Sie wurde viele hundert Jahre lang von Moralisten gestellt und bezog sich auf das Handeln von Individuen, die beispielsweise wissen, dass Ehebruch verboten ist, diese moralische Haltung auch gegenüber ihrem Partner vertreten – und dann fremd gehen.

Kleist

Aus einer Rezension von Christine Kanz, erschienen in: Jahrbuch für Literatur & Psychoanalyse. „Nach begonnener Lektüre möchte man es eigentlich nur ungern aus der Hand legen, es stattdessen in einem Zug von vorne bis hinten, Seite für Seite durchlesen, auch wenn man zwischendurch immer wieder leicht irritiert bis empört den Kopf schütteln muss.

Stalking und andere Phantasiebeziehungen – Der Liebeswahn heute

ORLANDO:
Und das ist nun der Dank, grausame Angelica, für meine Liebe und meine Treue? Aber diese Flucht wird euch schlecht bekommen! Ihr werdet mir selbst in der Hölle nicht entgehen!
ZARATHUSTRA:
Der Verstand muss sich verwirren, er versinkt in tiefes Dunkel, lässt er sich von Liebe leiten.
(2. Akt, Szene 3 u.4)

Händels Oper Orlando ist ein früher Versuch, sich der Verwandlung von Liebe in Wahn, Wut und Hass zu bemächtigen. Händels Lösung, die aufgewühlten Emotionen nicht durch Gegenliebe, sondern durch Vernunft zu zähmen, kündigt die Aufklärung an. Gegenwärtig schwindet der Glaube an die Macht der Vernunft über die [...]

→ weiterlesen.