Aufsaetze
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Verkehrsunfall im Jemen

Während der Wartezeit bat er mich in einen Nebenraum. Meine Bilder waren fertig. Er zeigte mir die feine Bruchlinie des dickeren Armknochens etwas unterhalb der Wölbung, mit der er in das Handgelenk übergeht. „It is a fracture, but not dislocated“, sagte er. „It is o.k. You get a little plaster, and no problem.“
Also ein kleiner Gipsverband für einen gutartigen Bruch, der nicht eingerichtet, nur versteift werden musste. Der anfangs noch ganz taugliche Arm tat inzwischen richtig weh, ich war aber meist zu abgelenkt, um dem viel Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hatte Glück gehabt. Aber die schlechte Nachricht kam gleich nachher, als ich nach Mohammed Abdullah fragte. Er sei in sehr schlechtem Zustand, zwar nicht lebensbedrohlich, aber sehr schlecht. Er habe einen Wirbel gebrochen, es sei ein dislozierter Bruch, das Rückenmark sei durchtrennt, er werde gelähmt bleiben. Er müsse in einer Spezialklinik operiert werden, palliativ, gegen seine Schmerzen. Über U. wisse er noch nicht Bescheid, es seien noch nicht alle Aufnahmen fertig, aber sie habe keine Lähmung und keinen Schädelbruch, das könne er schon jetzt sagen. Sonst wohl viele Frakturen.

Der Sicherheitschef

Wer im Jemen reist, wird oft kontrolliert. Es ist lästig, immer wieder an Schlagbäumen zu halten und zu sehen, wie reifenschlitzende Stahlrechen und schwere Maschinengewehre bereitstehen, um Widerspenstige zu disziplinieren, von den sozusagen endemischen Kalaschnikowträgern in gelb-blau, braun-ocker und anderen Tarnfarben ganz abgesehen.
Ein Bemühen der Verantwortlichen, sich in der Richtung einer Zivilgesellschaft zu entwickeln, ist nicht zu übersehen. Wo 2000 noch Pickups mit schwerem MG nach langer Wartezeit eskortierten, hängte sich 2002 an den Risikostrecken ein unauffälliger Polizeiwagen an den Landcruiser. Die Wartezeiten waren kurz, die Milizionäre höflich und freundlich wie immer.
Wer im Jemen reist, bewegt sich in mehreren Schutzschichten. Die erste ist der einheimische, sprachkundige Fahrer. Die zweite der robuste Geländewagen mit Werkzeug und Wasservorrat. Die dritte, meist unsichtbare, ist die Kontrolle durch den Staatssicherheitsdienst.
Das Wort hat in unserer Sprache keinen guten Klang. Aber das hängt damit zusammen, dass in der DDR die Stasi vor allem eingesetzt wurde, Fremdes abzuweisen, die eigenen Bürger zu disziplinieren und sie zu hindern, das Land zu verlassen. Im Jemen hingegen will die Staatssicherheit (bei deren Gründung im sozialistischen Süden die Stasi der DDR geholfen haben soll) die Fremden schützen und den keimenden Tourismus fördern. Sie mag andere, weniger konstruktive Aspekte haben, von denen der Fremde nichts bemerkt. Meine Beobachtungen belegen, dass dieser Schutz funktioniert und mit dem Kauf des Visums nicht teuer bezahlt ist.
Man reist sozusagen in einer unsichtbaren Blase, die sich jeweils von Polizeiposten zu Polizeiposten spannt. Vielleicht gibt es irgendwo etwas wie ein Karte oder gar einen Bildschirm, auf dem die Bewegungen der Reisenden mit Fähnchen oder als pulsierendes Signal festgehalten werden. In Fällen wie dem unsrigen, die sehr selten sind – soweit ich weiss, hatte noch nie ein Fahrer von Cameleers einen derartigen Unfall – alarmiert dieses Signal die örtlichen Sicherheitsstrukturen.

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