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Dumme Dinge oder wie die Konsumwelt unsere Intelligenz ruiniert

- oder wie die Konsumwelt unsere Intelligenz ruiniert

Das handwerkliche Ethos guter Arbeit geht nicht allein dann verloren, wenn Menschen Maschinen zuarbeiten müssen und sich selbst auf einige immer gleiche Handgriffe reduziert sehen. Diese bereits von Karl Marx beklagten Entfremdungen der Arbeit in der Fabrik sind heute durch die Automatisierung aus den reichen Industrieländern verschwunden. Sie plagen jetzt die Entwicklungsländer.

Einer von Sennetts Gewährsleuten ist der englische Autor John Ruskin, der in seinem Hauptwerk „The Stones of Venice“ (Die Steine von Venedig) unermüdlich das Handwerk gegen die Gleichförmigkeit maschineller Produktionen in Schutz zu nehmen sucht. „Maschinen sind defekt, wenn sie die Kontrolle verlieren, Menschen dagegen machen Entdeckungen und stolpern über glückliche Zufälle.“

Zur Postmoderne gehört die Gleichzeitigkeit von fast allem – es gibt den handwerklichen Familienbetrieb neben der Fließbandarbeit, die Ich-AG neben dem Großraumbüro. Wie der Zwang des Kapitals die Kapitalisten unterwirft – sie müssen es vermehren oder untergehen – so hat die Konkurrenz um eine immer bessere Ausbeutung menschlicher Neigungen zur Bequemlichkeit und zur Größenphantasie die menschliche Intelligenz dazu gebracht, möglichst viele Maschinen zu erfinden, die Hand, Kopf und Geist lähmen.

Wer Produktentwicklungen verfolgt, erkennt zwei Götzen, denen sie sich unterwerfen: Zeitersparnis und Atrophie von Muskulatur und Sinnestätigkeit. Dieser Raub an Lebenswichtigem wird durch das Versprechen legitimiert, wir hätten durch diese Erleichterungen „Zeit gewonnen“ – meist für Unwichtiges. Gesunde Menschen werden so lange wie Behinderte behandelt, bis sie tatsächlich behindert sind. Wer lernt, ein Auto zu schalten, braucht kein Automatikgetriebe; er gewinnt dieser Tätigkeit oft das Gefühl eines engeren Kontakts zu seinem Fahrzeug ab. Wer aber von Anfang an das Fahren mit Hilfe eines automatischen Getriebes erlernt, findet es „gefährlich“, zu dem handgeschalteten Auto zurückzukehren. Der Schaltvorgang strengt ihn an, lenkt ihn ab, ist unbequem.

Wer erst einmal anfängt, diese manuellen Beraubungen zu erforschen, findet viele Beispiele. Es ist eine gute Übung von Aufmerksamkeit und Konzentration, z.B. ein Steuer kurz loszulassen, um etwas anderes zu erledigen. Aber die technische Entwicklung sucht nach Lösungen, die solche Übungen unterbinden. Bei den alten Flinten musste ein Hahn gespannt und dann der Abzug betätigt werden; bei den neuen geht das automatisch. Den alten Abzug konnte der Jäger meist selbst einstellen und reparieren; beim neuen ist das Spezialistensache.

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