Pfusch
Als mir ein dicht beim Haus aus der Erde stechendes, wohl von altem Bauschutt stammendes Rundeisen beim Mähen eine Scharte in die Sense machte, legte ich sie beiseite und mühte mich mit Leibeskräften, das Eisen aus der Erde zu reißen. Es gelang nicht. Ich überlegte, mit Pickel und Schaufel wiederzukommen, als der Nachbar hinzutrat. Er war ein drahtiger Mann, hatte die Kriegsgefangenschaft in Sibirien überlebt und davon einen zynischen Humor zurückbehalten. Jetzt zog auch er einmal energisch an dem Eisen. Dann bog er entschlossen die Spitze um und begrub das Eisen mit einem kräftigen Tritt in der Erde. Er verabschiedete sich mit einem Witz: „Bled derfst scho sei, aba heafa muasst dir kenna!“ Hochdeusch heisst das: Blöde darfst du sein, aber helfen musst du dir können!“
Wenn ein Pfuscher Erfolg hat, nennen wir ihn originell. Wenn er scheitert, haben wir schon immer gewusst, dass es so nicht geht. Im abschätzigen Sinn nennen wir eine Arbeit Pfusch, die mit verlogenen Versprechungen arbeitet: das neue Dach ist nicht dicht, die Mauer ist aus dem Lot, beim Ölwechsel an der Tankstelle wurde der Filter vergessen. In der Sprachtradition wird der Pfusch der Zunft gegenübergestellt. Sein Kontext war in Europa rassistisch. Juden und Zigeuner, denen der Weg in das zünftige Handwerk versperrt war, wurden Pfuscher genannt. Sie verlegten sich auf Reparaturarbeiten, die den Zünften verwehrt waren – diese wollten ja, wie die Industriebetriebe heute, vor allem neue Produkte verkaufen.
Bei den ärmeren Schichten waren die reisenden Pfuscher hochwillkommen. Sie trugen dazu bei, dass Dinge erhalten blieben und funktionierten, die in der Konsumgesellschaft weggeworfen werden. Sie flickten kupfernes Geschirr und verzinnten es, sie machten Scheren und Messer wieder gebrauchstüchtig und reparierten zerbrochene Tonschüsseln oder Backformen mit kunstvoll geflochtenen Drahtnetzen.
Während aus der Perspektive der beruflichen Bürokratie Pfuscher klägliche Gestalten sind, die etwas unfachmännisch machen, was jeder unterrichtete und korrekte Mensch einem Experten anvertraut, sind global gesehen die Pfuscher weit in der Überzahl. Wer von den zahllosen Männern und Frauen, die in den armen Ländern Schuhe flicken, Autos wieder in Gang setzen, Fahrräder oder Radios reparieren hat sein Handwerk korrekt gelernt? Wer hat dem Mann im Basar von Marrakesch beigebracht, aus alten Autoreifen Handtaschen, Eimer, Sandalen und Aschenbecher zu machen? Woher weiß der Junge in Kairo, wie man „Einwegfeuerzeuge“ noch einmal füllt?
Es war und ist nicht Einsicht, sondern Armut, welche die bewundernswürdigen Reparatur- und Wiederverwertungsfertigkeiten entfaltete, denen wir in Asien und Afrika begegnen und die auch Teil unser eigenen bäuerlichen Tradition der Drahtflechter, Kesselflicker, Flickschuster, und Störschneider sind.
Worum es mir geht, ist die Differenzierung zwischen gutem Pfusch und schlechtem Pfusch, zwischen schönem und hässlichem, würdevollen und beleidigenden Pfusch, kurz zwischen einer durchdachten und haltbaren nichtfachmännischen Arbeit und einer, die nur scheinbar Nutzen bringt, in Wahrheit aber den Schaden vertieft.
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