Wer alte Möbel restauriert, kann viel über diese Unterschiede erkennen, denn diese haben oft mehrere Reparaturversuche hinter sich, von denen manche erhaltenswert sind, andere das Überleben des Stücks gefährden. Wer beispielsweise bei einer Reparatur in Holz einfache Drahtstifte (der Laie sagt „Nägel“ zu ihnen, aber Nägel sind geschmiedet) oder Schrauben aus Eisen verwendet, richtet Schaden an, denn diese rosten und zerstören nicht nur sich selbst, sondern auch das Holz in ihrer Umgebung.
Aber die Teekanne mit dem zerbrochenen Schnabel, der durch eine kunstvolle Bandage aus Kupferblech ersetzt ist, die Tonschüssel, deren Sprung gekittet und mit einer durch kleine Bohrlöcher geführten Drahtnaht stabilisiert wurde, der Tisch mit dem kunstgerecht eingeleimten Bein, die neu verdübelte Armlehne des Sessels?
Einmal wollte ich als Student mit meinem VW-Käfer an der Ampel losfahren. Ich gab Gas, der Motor reagierte nicht. Heckklappe auf, Störungssuche. Das Gasseil war dicht am Vergaser gebrochen.
Ich besorgte mir nach kurzem Überlegen eine Lüsterklemme. Mit Hilfe einer Kombizange und eines Schraubendrehers gelang es mir, die zerfransten Enden des Gasseils in die Öffnungen der Klemme zu stecken und zu befestigen.
Es war Pfusch. Die Klemme am Vergaser sah lächerlich aus. Ich gab dem Provisorium keine Chance. Bald würde ich in der Werkstatt ein neues Gasseil einziehen lassen. Oder lieber warten, wie lange das Provisorium hielt? Den Käfer habe ich vier Jahre gefahren und dann für einen neueren in Zahlung gegeben, immer noch mit der Lüsterklemme am Vergaser.
Marx hat vom Fetischcharakter der Dinge (Waren) im Kapitalismus gesprochen. Er hatte das kärgliche Wissen seiner Zeit um die Religion der schriftlosen Kulturen, die im kolonialistischen Denken als Fetischismus und Animismus erscheinen. Wer primitive Kulturen achtet und versucht, sie in ihrer ganz andersartigen Struktur zu verstehen (ein Vordenker ist hier Claude Lévi-Strauss gewesen), sieht das anders. Der Dünkel theologisch fortgeschrittener Kulturen über die Götzendiener ist unberechtigt und defensiv. Die Fachtheologen werten in den Götzen der Heiden ihre eigene, dauernde Gefährdung ab, dass ihr Glaube leer und formelhaft wird.
Für den Animisten ist Spiritualität näher und gegenwärtiger, aber auch emotionaler und viel stärker an Dinge und an Beziehungen zu Lebenden und Toten eingebunden. Gewiss weiß auch er, dass die Ahnenfigur, die er schnitzt, ein Stück Holz ist, aber sie ist auch der Vater, wenn er sie mit Palmwein oder Hühnerblut ehrt, dann ehrt er den Vater; dieser wird ihn unterstützen. Es gibt keinen gedruckten Kodex, kein Buch, keine theologische Zunft, keinen Priester, keine Moschee, sondern nur Menschen, Eindrücke, Gefühle, Einsichten, Erinnerungen und Dinge, die beides verbinden.
So können wir den Pfusch einem anarchistischen, die fachmännische Arbeit einem hierarchischen oder autoritären Denken zuordnen. Das Übermaß des ersten führt ins Chaos, das Übermaß des zweiten in die Starre. Wer unter der Engstirnigkeit des Autoritären lange genug gelitten hat, begeistert sich für die Anarchie; wem die Anarchie zu chaotisch wird, der ruft nach den Segnungen des Disziplin.
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