Einge gekürzte Version dieses Vortrags ist in der Ausgabe 03/12 der Zeitschrift „Psychologie heute“ erschienen
Es ist eine abgründige Frage, warum Menschen das Richtige erkennen, es billigen – und dann doch das Falsche tun. Sie wurde viele hundert Jahre lang von Moralisten gestellt und bezog sich auf das Handeln von Individuen, die beispielsweise wissen, dass Ehebruch verboten ist, diese moralische Haltung auch gegenüber ihrem Partner vertreten – und dann fremd gehen. Heute beschäftigt uns angesichts des Widerspruchs zwischen gutem Wissen und schlechten Tun weniger die Moral von Individuen als die Stabilität von Staaten, der Erhalt der Biosphäre, globale Energie- oder Schuldenkrisen.
Fast alle Konsumgesellschaften treiben Raubbau an der Gegenwart, verbrauchen sehr viel mehr Rohstoffe und Energieträger, als nachwachsen und zahlen die Zinsen für ihre Kredite durch neue Schulden. Wer einen kleinen Kredit haben will und keine Sicherheit bietet, geht leer aus; wer einen Staat führt und nicht die geringste Wahrscheinlichkeit geltend machen kann, dass er dessen Schuldenlast mindern wird, kann problemlos neues Geld leihen.
Wenn uns gegenwärtig unsere Intelligenz nicht daran hindert, Atomkraftwerke zu bauen, Tropenwälder zu roden und die Ozonhülle zu schädigen, dann zeigt das, dass die materiellen Strukturen, die solche Entwicklungen bedingen, stärker geworden sind als die menschliche Einsicht. Ich nenne diese materiellen Strukturen die dummen Dinge und entwickle gegen sie ein Panorama der klugen Dinge, die unsere alte Überlebensintelligenz wieder wecken und fördern könnten.
Zu den dümmsten Aussagen über Technik gehört die, sie sei neutral, es komme darauf an, was der verantwortliche Mensch mit ihr mache. Neutral ist Technik nur, so lange sie nicht vorgaukelt, es gäbe einen Gewinn an Macht ohne Kosten. In der Konsumgesellschaft wird Technik systematisch benützt, um süchtig zu machen; kommerziell erfolgreiche Waren beruhen weitgehend auf solchen Mechanismen.
In einer Fabel aus China lehnt der Weise den Hebelbrunnen ab, weil er fürchtet, durch seine Benutzung selbst wie eine Maschine zu funktionieren. Günter Anders hat diesen Gesichtspunkt der Ansteckung durch die Maschine um den Aspekt der Beschämung durch sie ergänzt. Seine Formulierungen über die „prometheische Scham“ gehören in eine Zeit, in der sich das selbstkritische Individuum noch von den regressiven Reizen der Konsumgesellschaft abgrenzen konnte.
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