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Die Freude am Verfahren


VI.

Habe ich, für eine von BMW finanzierte Beilage der SZ schreibend, kritische Überzeugungen verraten? In meinem Erleben nicht, aber im Empfinden eines Lesers (denn aus diesem Kontext wird mich Herr Fitzrath kennen) sehr wohl. Ich kann seinen Ärger über die BMW-Reklame durchaus verstehen. Mich stört oft der völlige Mangel an kritischem Geist, wenn ich Autotests lese, in denen Motorisierungen von hundert Pferdestärken als unzureichend dargestellt werden und die Tester verraten, dass sie verhinderte Rennfahrer sind. Obszön ist gar kein falsches Wort dafür.

Was aber wäre auf der anderen Seite gewonnen, wenn ich – sensibler für die Platzierung meines Textes, als ich es in meiner Abmachung mit Hanjo Seissler war – den Auftrag verweigert hätte? An dem Slogan, der Beilage, dem Werbeeffekt für BMW, der sich ohnehin nicht messen lässt, hätte das wenig verändert. Aber ich hätte für eine Gruppe von Lesern, deren Umfang ich nicht kenne, eine Glaubwürdigkeit behalten, von deren Fundamenten ich nichts weiß.

Will ich eine solche Glaubwürdigkeit? Das Argument hat mich nicht unberührt gelassen, soviel ist klar – sonst hätte ich diese Betrachtungen nicht geschrieben. Und natürlich spreche ich pro domo, wenn ich versuche, die Argumente zu sammeln, die für mein Mitmachen in der BMW-Beilage der SZ sprechen.
Ein erstes ist meine Rolle als Publizist. Ich bin darauf angewiesen, dass ich angefragt werde. Wenn ich die Möglichkeiten nutzen möchte, etwas von meinen Ideen unter die Leute zu bringen, darf ich den Profis von der Publikumspresse nicht den Eindruck vermitteln, es sei schwierig, mit mir zu arbeiten, ich würde nicht liefern, sondern mäkeln. Erst wenn BMW meinen Text redigieren würde, wäre für mich eine Grenze erreicht. Bereits die Berührung abzulehnen scheint mir magisches Denken, als ob man neben dem Denkmal des Tyrannen nicht von Freiheit sprechen dürfte, ohne in den Verdacht zu geraten, es für diesen zu tun.

In jedem Massenmedium steht redaktioneller Text neben Werbung, zwischen Werbung, wird der Film durch Werbung unterbrochen oder doch wenigstens eingerahmt. Und parallel dazu hat sich eine Kultur entwickelt, das Wort des Autors von Bild und Text der Reklame zu trennen. Der kritische Artikel kann neben der Reklame für das Produkt des Kritisierten stehen.

Wichtiger noch scheint mir das Prinzip der Zivilgesellschaft, in der jeder Bürger im Rahmen der Gesetze handeln darf, wie es seinen persönlichen Einbildungen von dem entspricht, was ihn glücklich macht oder die von ihm hochgeschätzten Ideen durchsetzt. Daher darf BMW behaupten, seine vielhundertpferdigen Luxuskarossen würden Freude bereiten und ich darf von meinen Einwänden sprechen, von der Umweltzerstörung und von der Verdummung der Fahrer durch solche Freuden.
Heute ist BMW stärker als meine Argumente, aber es kann eine Zeit kommen, in der die Ökonomie durchlässiger wird für die Grundsätze der Ökologie und demokratische Mehrheiten zu der Überzeugung kommen, dass es besser ist, diesen Formen des Obszönen Einhalt zu gebieten. Sobald mir jemand nachweist, dass ich einen solchen Prozess durch meine Weigerung befördern könnte, ihn durch meine Teilnahme an der Werbeschrift aber aufhalte, habe ich Anlass zu einem schlechten Gewissen.

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