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Ich habe nie eine Antwort von Herrn Piech erhalten. Nur ein freundlicher junger Mann aus der Marketing-Abteilung rief mich an. Er versprach, mich über das Schicksal meiner Idee im Konzern zu informieren. Ich hörte nie wieder von ihm. Er begrüße solche Gedanken und werde meine Vorschläge als Argumentationshilfe einbringen. Durch die Blume sagte er mir, dass Konstruktionen ohne ABS und Airbag von den führenden Ingenieuren als unzeitgemäß verachtet würden und gegenwärtig keine Chance hätten.
Als Ferdinand Piech im April 2002 den Vorstandsvorsitz bei VW aufgab, fuhr er in einer Neukonstruktion von Wolfsburg nach Hamburg, mit einem Verbrauch von knapp einem Liter Treibstoff auf hundert Kilometer. Es ist ein Enkel des Messerschmidt Kabinenrollers, der die deutsche Motorisierung nach dem Krieg einläutete, mit viel Elektronik, Titan, hohlen Wellen und Zahnrädern, viel zu teuer für den Bau in Serie. Alle Ansätze zu einer intelligenzfördernden Technik wurden zugunsten einer bereits eingebauten, verkapselten technischen Intelligenz zurückgestellt. Bastelfreundlich scheint das neue Spar-Auto so wenig zu sein wie seine Vorgänger. Herr Piech ist in einem Feigenblatt gefahren.
Kein Produkt der Industriegesellschaft trägt so viele Träume und narzisstische Phantasien wie das Auto. Es ist das Produkt, dem am meisten Blut geopfert wird – mehr als allen anderen Produkten zusammen, mehr als der Waffenindustrie. Längst überreffen in den meisten Ländern die Zahlen der tödlichen Unfälle mit Autos die der Kriegsopfer. Es ist das wirtschaftlich erfolgreichste Produkt, das die intensivsten Träume umgeben. Freiheit, Raum zu leben und zu lieben, Sicherheit und Dynamik, Überlegenheit über andere und Fluchtmöglichkeiten aus Enge, Lärm, Gestank und Chaos (wie sie eben das Auto erzeugt) in eine freie, ruhige, duftende Waldlichtung, an einen Meeresstrand, in einen Park, wo wir und unser Mobil mit dem Gesang der Vögel und dem Zirpen der Grillen allein sind.
Die Erwartungen an das Auto sind so irrational und widersprüchlich wie die an eine Geliebte. Wir können beobachten wie hier die kopflose Gier auf dem Thron sitzt, von Erfindungsgabe, technischer Brillianz und künstlerischem Design als ihren subalternen Hofschranzen umgeben. Das Auto mobilisiert eine enorme Erfindungskraft, aber diese Erfindungskraft wird von einem Tyrannen gelenkt, der für alles blind ist, was nicht zu seinem rauschhaften Verlangen nach Macht und Kraft, Sicherheit und Bequemlichkeit passt.
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