Aufsaetze
Kommentare 1

Der Bombenbastler

Als die Mutter starb, war eine Dame vom Jugendamt da gewesen und hatte sich nach Alois erkundigt. Das sei Vorschrift, wenn ein Kind verwaist sei.
Vater und Tante hatten ihre besten Kleider angezogen. In der Stube, wo das gute Porzellan im Schrank stand und das alte Kruzifix aus Buchsbaum im Herrgottswinkel hing, hatten sie einen Bohnenkaffe angeboten. Es sei alles in bester Ordnung, der kleine Alois werde tagsüber von der Tante betreut, am Abend komme der Vater heim, im Dorf kenne jeder, helfe jeder jedem.
Die Dame hatte etwas aufgeschrieben und eine Karte mit Adresse und Telefonnummer des Jugendamts dagelassen. Für jede Frage stehe sie zur Verfügung. Die Karte musste noch in der Lade kriegen. Eine Frage hatte sich nie gefunden.
Alois hatte einen verlassenen Steinbruch entdeckt. Früher holten die Bauern dort Steine für ihre Häuser geholt und verdienten sich ein Zubrot. Heute kam das Pflaster aus China, das war billiger. Hier gab es dichtes Buschwerk und hohe Felswände.
Er mischte flüssiges Kerzenwachs mit kleinen Mengen des Pulvers, das er aus den billigen Donnerschlägen herausgeholt hatte. Damit tränkte er einen Baumwollfaden und probierte, wie schnell der Funke die Schnur frass. Er baute Holzbomben aus Holunderstöcken, deren Mark sich leicht herauslösen liess, füllte Pulver in den Hohlraum, verkeilte die Öffnungen und liess ein kurzes Stück Zündschnur heraushängen.
Er übte sich darin, die Zündschnur in Brand zu setzen und die Bombe im letzten Augenblick zu schleudern, wie er es im Fernsehen verfolgt hatte. In den amerikanischen Western, gab es Männer, die an ihrem Zigarrenstummel eine Dynamitstange zündeten und furchtlos bis kurz vor der Explosion warteten. Dann schleuderten sie die Stange gegen einen Feind. Sie warfen sie in ein Haus. Wumm!, alles flog in die Luft. Seine Hollerbomben krachten eindrucksvoll, Holzsplitter schossen hoch, einmal blieb sogar einer in seiner Backe stecken, es blutete ein wenig, als er ihn herauszog.
Im Fernsehen gab es Anregungen genug. Ständig war von Explosionen Bild und Rede: von Selbstmordgürteln in Palästina, Sprengfallen in Serbien und im Kosovo. Ein hagerer Offizier mit Augenklappe trug die Bombe in der Aktentasche, mit der er Hitler umbringen wollte. Es gab Filme über Männer, die hochkomplizierte Höllenmaschinen bauten, und andere, die sie mit Schweissperlen auf der Stirn entschärften; es waren Wunderwerke mit vielen bunten Drähten, mit eingebauten Fallen, Bewegungsmeldern, Uhren.
Es schien absurd, soviel Kunstfertigkeit an eine Maschine zu wenden, die keinen anderen Zweck hatte als sich selbst in winzige Splitter und Staub auszulösen. Er verstand das gut und überlegte, wie es sich anfühlen mochte, einen Stoffschlauch unterm Hemd zu tragen, in dem Sprengstoff mit Nägeln und Steinen gemischt war, um sich in einer Menschenmenge in die Luft zu sprengen.

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert