Aufsaetze
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Der Bombenbastler

Am nächsten Werktag fuhr er mit dem Rad in den Supermarkt und konnte noch ein paar Packungen Feuerwerk auftreiben. Er ging damit in sein Zimmer und untersuchte sie. Seine Mutter hatte ihm jedes ausgediente Bügeleisen, jede defekte Weckeruhr gegeben. Sie nannte sein Spiel „ztrifeln“. Der Alois ztrifelte leidenschaftlich. Er hatte einen kleinen Werkzeugkasten, er drehte und wendete ein Ding, bis er die Schrauben fand, die es zusammenhielten, und zerlegte es, um zu sehen, was drinnen war und wie es funktionierte. Manchmal konnte er etwas reparieren, eine lockere Verschraubung, ein loser Draht an einer Lötstelle, wenn er geduldig suchte und probierte, dann funktionierte manchmal ein Gerät wieder, das die anderen schon aufgegeben hatten. Wenn das nicht gelang, konnte man die einzelnen Teile ordnen und aufheben und vielleicht irgendwann benutzen, um wieder etwas heil zu machen.
Ob er auch den Donnerschlag wieder heilen konnte, den er eben mit einem scharfen Messer seziert hatte? Da war eine Schicht gewachste Schnur, eine Schicht Pappe und darunter eine Tüte aus Papier, die schwärzliche Körner enthielt. Die rote, mit einer Art Wachs getränkte Zündschnur trat in einer Öffnung in die Tüte ein.
Der Krach ergab sich aus einer Art Kampf zwischen der Hülle und dem Inhalt, zwischen der festen Hülle und dem Feuerblitz. Wumm!, der Druck löste sich, die Fetzen flogen. Er nahm ein wenig von dem Pulver, zündete eine Kerze an und liess es in die Flamme rieseln. Es knisterte, Funken sprühten, aber es knallte nicht. Er tat eine ganze Prise in eine leere Schuhcremedose und hielt ein Streichholz daran. Eine Stichflamme schoss hoch, die ihm die Augenbrauen versengte; es stank nach Schwefel und verbranntem Haar.
Es war, als hätte er jenes Sesam-öffne-dich gefunden, das in einer undurchdringlichen Felswand plötzlich die Tore zur Wunderkammer erscheinen lässt. Er musste nur noch eintreten. Er hatte Macht. Er herrschte über etwas, das stärker war als der Vater, stärker als der stärkste Mann. Er hatte sich immer gefügt. Wenn der Vater sich beklagte, dass er nichts machte aus seinem Leben und immer noch herumhing, tröstete ihn der Gedanke, dass er doch mit einigen gut verteilten Ladungen das Haus in die Luft sprengen konnte. Er hätte es tun können. Aber er wollte nicht. Er war der Herr.
Bisher hatte Alois nicht wirklich gewusst, was er tun konnte gegen sein inneres Zittern. Er kämpfte dagegen an, lief herum, räumte auf, es wurde manchmal besser, dann wieder nicht. Wenn es schlimm war, hatte er nicht die Kraft, an etwas anderes zu denken. Jetzt merkte er, dass es ihn nicht nur notdürftig ablenkte, sondern auf eine seltsame, bisher nicht gekannte Weise erregte, eine Explosion vorzubereiten. Es ging ihm so gut, er war so glücklich, dass er das niemandem zeigen wollte. Er schämte sich, es hätte doch niemand verstanden, dass eine solche Spielerei so wichtig sein kann. Wenn alles so ablief, wie er es sich vorstellte, wenn es genau zur rechten Zeit krachte und die Folgen genau die waren, die er sich ausgemalt hatte, dann lief ihm ein warmer Schauer über den Rücken und er fühlte sich ruhig und sicher wie noch nie zuvor. Nur schade, dass die Wirkung nicht lange anhielt.

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