Es war sehr still in ihm, und manchmal zitterte etwas in ihm, und er wusste nicht, wohin damit. Er gewöhnte sich daran, viele Stunden durch den Wald zu laufen. Wenn er müde war, wurde es ruhiger. Er fand nicht in sich, wie er mit den Nachbarn reden sollte und worüber. Er schaute ihnen allmählich doch etwas ab, lächelte, redete über das Wetter und konnte jetzt dabei sein, wenn die Feuerwehr ein Grillfest machte. Er packte auch gerne zu, vor allem, wenn andere neben ihm arbeiteten, wie beim Maibaumaufstellen und bei der Holzarbeit. Am Nachmittag ging er durch das Dorf. Wenn jemand arbeitete, packte er mit an, wenn er niemanden sah, ging er weiter in den Wald. Am liebsten war es ihm, wenn es etwas zu reparieren gab, ein Fahrrad, ein Mofa, ein Auto, eine Zugmaschine.
Der Vater hatte die Wiesen und das Milchkontingent verpachtet. Er würde das alles erben. Der Hof hatte der Mutter gehört. Jetzt sass der Vater drauf und liess ihn verkommen. Alois hatte keine Lust, dem Vater hinterherzuräumen oder den kaputten Schlepper zu richten, obwohl er es vielleicht gekonnt hätte. Wenn sie jetzt das Brennholz für den Winter aus dem Wald holen wollten, musste der Vater den Schlepper vom Nachbarn leihen, weil er zu faul war, den eignen zu reparieren.
Es beruhigte sein inneres Zittern, wenn er etwas aufräumte, aber es musste dann auch so bleiben, wie er es gemacht hatte, sonst wurde es wieder schlimmer. Manchmal beklagte sich der Vater, dass er so wenig tat, so wenig wegging, er selbst sei als Junge anders gewesen. Dann sagte Alois gar nichts.
Haus und Hof zerfielen Schritt für Schritt in zwei Reiche. Der eine Teil war gross und nach aussen sichtbar, der andere klein, er umfasste nur Alois‘ Zimmer und den Dachboden. Der grosse Bereich verwahrloste. Der Schlepper rostete unter dem auskragenden Dach der Remise. Der alte Ford des Vaters sank jedes Jahr ein wenig tiefer in die Brennesseln hinter der Scheune. An den Gummilippen an der Windschutzscheibe und dem Rückfenster wuchs Moos. Die Windbretter am Schuppen hingen schräg herunter. Von den gemauerten Zaunsäulen bröckelte der Putz. Anfangs hatte der Vater den Hausgarten neben dem Eingang noch umgegraben, Zwiebeln gesteckt, Bohnen gesät und Kartoffeln gepflanzt. Jetzt wucherten auch hier Bärenklau und Melde; ein Haselnussstrauch hatte sich angesiedelt und die Johannisbeersträucher erstickt.
In die Wohnküche und die beiden Schlafzimmer hatte der Vater neue Fenster gesetzt, Teakholz und Isolierscheiben, ein Sonderangebot aus der Baywa. Die alten Rahmen lehnten seit zehn Jahren an der Stallmauer; die Fensterlaibungen waren immer noch nicht verputzt. Die Fenster waren dicht, das musste genügen.
Anfangs hatte Alois noch gefragt, wann der Vater endlich den Schlepper reparieren, den kleinen Hausgarten jäten und umgraben wolle. Der Alte schüttelte entweder stumm den Kopf oder grollte „richt es selber, wenn es dir nicht passt“.
So wurden Alois‘ Ordnung und die Schlamperei des Vaters einander zum passiven Widerstehen. Alois ging in die Schule, solange keine Ferien waren. Er ging nicht gerne, aber es war besser als zuhause. Der Vater fuhr mit dem Bus auf Montage. Er stellte Fertiggaragen auf, solange genügend Eigenheimbesitzer solche Zementwürfel neben ihrem Haus haben wollten.
Veröffentlicht am 7. August 2008
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