Aufsaetze
Kommentare 1

Der Bombenbastler

Er hätte vielleicht auch gehört, wie der Vater zu einem Verwandten, der ihn zur Rede stellte, weil der Alois nach dem Zivildienst immer noch keine Arbeit und keine Lehrstelle hatte, müde sagte, der sei doch gross genug und müsse wissen was er tue. Er habe es ihm einmal gesagt, und dann noch einmal, und dann habe er gsagt, ich sage es jetzt zum letzten Mal und dann nie wieder, basta. Gewirkt habe nicht das erste, nicht das zweite, nicht das dritte. So gehe es eben, wie es gehe, jeder müsse für sich sorgen, und wenn der Johann eine Frau fände, würde die ihn zur Vernunft bringen. Er sei ja ein Häuslicher, er trinke nicht und rauche nicht, er halte sein Geld zusammen, die zweihundert Euro Pacht für das Milchkontingent, die könne er haben, er sei mit der Rente zufrieden.
Es gab niemanden, der versucht hätte, in die Köpfe der beiden zu schauen und zu erraten, was unter der Oberfläche war. Es ist ja auch nicht so einfach, in den Kopf eines Menschen zu sehen, die Schädeldecke wie das Dach einer Puppenstube abzuheben und in die einzelnen Kammern der Erinnerung, der Pläne und Lüste zu blicken.
Alois hatte Schulfreunde gehabt. Aber er traf sich nicht mehr mit ihnen. Wenn sie vorbeikamen, um ihn abzuholen für eine Sonnwendfeier, ein Grillfest, eine Fahnenweihe, wenn sie ihn fragten, ob er etwas reparieren könne, hatte er keine Lust und keine Zeit mehr. Sie nützen ihn aus, genauer: sie fragten ihn unbefangen, ob er etwas von dem für sie tun könnte, das er besser konnte als die meisten. Er jedoch wusste nicht, was er von ihnen wollte, was sie ihm geben konnten. Ihr hektisches Gerede und Gelächter, was das eine oder andere Mädchen in Freystadt oder Berching mit sich machen liess, machte ihn ratlos, ihr Spott über sein Verstummen – „der wird ja rot!“ –trieb ihn noch weiter zurück in sein Inneres und verstärkte dieses Zittern.
Er hatte versucht, ihnen zu helfen. Keiner war auf den Gedanken gekommen, sich zu fragen, wie er ihm helfen konnte. Er musste sich selbst helfen. Aber er hatte jetzt keine Lust mehr, den Mechaniker für die anderen zu spielen, die zu ungeschickt waren, ein Fahrrad zu flicken oder einen lahmen, von Ölkohle zugesetzten Mopedmotor wieder zum Laufen zu bringen.
Alois sah den Verfall des Vaters mit Scham und heimlicher Wut; der Vater den Rückzug des Sohnes mit Ratlosigkeit und Enttäuschung, die seine Gleichgültigkeit und seinen Zynismus noch verstärkten. Es war schon immer so gewesen, es gab die Bauern, die im Dreck arbeiteten, und die anderen, die den kleinen Mann für sich arbeiten liessen und ihn ausnützten, wo sie nur konnten, die mit dem Wappen, dem Titel, dem Ladengeschäft, der Werkstatt, die Ritter und Grafen wie die Finanzbeamten, Viehschmuser, Holzhändler.
Vielleicht wäre es besser gewesen, streng zu sein und den Buben auf die Realschule zu schicken, ihn vor die Tür zu setzen, wenn er nicht weg wollte in irgend eine Arbeit?

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert