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Über das Schwärmen

fansEs gibt schöne deutsche Wörter, die viel anschaulicher sind als unsere wissenschaftlichen Begriffe und doch aus der Mode kommen. Aber es hat auch seinen eigenen Reiz, herauszufinden, warum das so ist. Schwarm und schwärmen ist ein Begriffspaar, das altertümlich anmutet und doch von zeitloser Eleganz ist. In den Romanen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts schwärmten die Mädchen im Internat für den Schnurrbart des Musiklehrers und die Damen im Theater für die Stimme des Tenors. Ein Mädchen- oder Frauenschwarm zu sein, verlieh dem Mann einen zerbrechlichen Glanz, raubte ihm aber auch etwas an Ernsthaftigkeit.

Nicht, dass nicht auch Frauen umschwärmt waren, manchmal auch umschwirrt, wie im blauen Engel – Männer umschwirren mich, wie Motten das Licht. Aus dem Schwärmen der Insekten und dem Ausschwärmen der Soldaten hat sich die psychologische Bedeutung des Schwärmens erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt. Im Grimm’schen Wörterbuch liest sich das so:

als milderes wort, zur bezeichnung einer überwiegenden phantasie und begeisterung; erst in der litterarischen bewegung seit etwa 1770 ausgebildet, von Campe zuerst verzeichnet: er schwärmet in der religion, liebe, freundschaft; von Schiller dem begriffe nach bestimmt: das sentimentalische genie hingegen ist der gefahr ausgesetzt, über dem bestreben, alle schranken von ihr zu entfernen, die menschliche natur ganz und gar aufzuheben, und sich nicht blosz, was es darf und soll, über jede bestimmte und begrenzte wirklichkeit hinweg zu der absoluten möglichkeit zu erheben oder zu idealisiren, sondern über die möglichkeit selbst noch hinauszugehen oder zu schwärmen.

Freud hat dann folgerichtig für die menschliche Verliebtheit den Begriff der Idealisierung des Liebesobjekts eingeführt. Heute schwärmen junge Menschen nicht mehr für den Star, sie finden ihn cool, toll, geil, super. Aus dem Ausschwärmen der Gedanken und Gefühle hin zu einem Ziel ist eine Qualität des Gegenstandes selbst geworden, aus dem Innen ein Außen, aus der Bewegung Starre.

Jüngst ging ich, stolzer Vater der Drehbuchautorin Lea Schmidbauer, als Premierengast eines Films für Kinder und Jugendliche (Ostwind II) an einer langen Reihe von Kindern und Teenagern vorbei, die alle auf die Hauptdarstellerin warteten, Autogrammkarten fest in kleinen Fäusten. Die Gesichter waren angespannt, energisch, ängstlich, als fürchteten sie, die Materialisation des Geschöpfs zu verpassen, dem ihre Erwartung galt: der schönen Mika, die auf magische Weise mit dem schwarzen Hengst Ostwind kommuniziert. Sie schwärmten nicht für Mika, sie wollten Mika haben, ein Stück von ihr, sie wollten Mika sein, deren Pferdeabenteuer bald die Leinwand füllen würden.

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