Autor: W.S.

»Dauernde Angst macht unglücklich«

SZ Magazin: Nach 1918 sind viele Menschen an Depression erkrankt, die die Spanische Grippe überlebt hatten. Wie ist das zu erklären?

In Zeiten der Rekonvaleszenz werden viele Leute depressiv, deswegen macht man ja auch Rehabilitationen. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es außerdem unglaublich viele Umbrüche: Wer da nicht ganz fit war, war anfälliger für Depressionen. Soldaten sind das ohnehin, sie haben leicht das Gefühl, das Vaterland vergilt ihnen ihr Leid nicht. Die Integration der Soldaten im Frieden ist nach jedem Krieg ein Riesenproblem. 

Ist so eine Häufung von Depressionserkrankungen auch durch Corona zu erwarten?

Das ist sehr schwierig zu vergleichen, [...]

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In eigener Sache: „Neues“

…ist eine von Webdesignern gefürchtete Überschrift. Denn sie verpflichtet den armen Seiteninhaber zu laufender Innovation und Produktion. Beides können wir hier nicht versprechen. Bitte üben Sie also Nachsicht, wenn nicht immer alles tatsächlich taufrisch und brandNEU ist.

Wolfgang Schmidbauer & Lea Schmidbauer [...]

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In Zukunft wird es noch komplizierter

Zwischen dem Problem und dem Dilemma zu unterscheiden ist ein Denkmodell, das uns in schwierigen Situationen weiterhilft. Während das Problem gelöst werden kann, ist das Dilemma unlösbar. Die Corona-Krise liefert viele Beispiele dafür. In den politischen und medialen Reaktionen tritt die Ansteckung durch die Übertragung eines Virus absolut in den Vordergrund, ein typisches Problem mit klarer Ansage – ich bin entweder kontaminiert oder nicht. Das Dilemma meldet sich, sobald wir uns über die komplexen Bedingungen der menschlichen Immunabwehr informieren, die darüber entscheidet, ob und wie wir eine Virusinfektion bewältigen. 

Wenn ich beispielsweise kategorisch verbiete, dass alte Menschen in Heimen von [...]

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Helikoptermoral

Die globalisierte Konsumgesellschaft plagen chronische Ängste. Sie verschwendet mehr als nachwächst, sie weckt den Neid der Habenichtse und den Terror der Gekränkten. Diese Ängste münden in Hyperaktivität, sei es des Übereifers, sei es der unverhältnismäßigen, verschwenderischen Reaktion auf konstruierte Gefahren. Wie ihr Pendant, die Helikoptereltern, ist auch die Helikoptermoral immer schon da, immer bereit, Stellung zu beziehen.

Wie groß ist die Bedeutung von Handarbeit für den Kopf?

Ich habe mich diesen Herbst während einer Erkältung nicht geschont und eine Quittung bekommen, die es in sich hat: eine Gürtelrose. Eine faszinierende Krankheit, sagte mein Schmerzarzt: Sobald die Immunabwehr geschwächt ist, erwachen die über viele Jahrzehnte in einem Nervenstrang schlummernden Herpes zoster-Viren, wandern an die Hautoberfläche, vermehren sich dort in einem Bläschen-Ausschlag und schädigen den Nerv derart, dass er auch noch nach dem Heilen der Bläschen schmerzt, als ob glühende Würmer unter der Haut krabbeln.
Gegen Schmerzen helfen Medikamente – und Ablenkung. Wer etwas anders im Kopf hat, von etwas begeistert ist, spürt den Schmerz nicht. Das ist mindestens

[...]

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Sind wir eine süchtige Gesellschaft?

Vor 80 Jahren starb der Gründer der modernen Psychotherapie. In London, nicht in Wien, wo er die bei weitem längste Zeit seines Lebens studierte, arbeitete und zu einem Jahrhundertdenker wurde.
Freud musste aus Wien fliehen, als Hitler den Anschluss Österreichs erzwang und in der Folge in der ursprünglichen Heimat von Freuds Denken die rassistische Barbarei um sich griff. In London fand der schwer kranke Freud Asyl und eine neue Heimat. Die Psychoanalyse aber hat sich von diesem Entwicklungsbruch nicht erholt.
Denn Freud sah die zentrale Aufgabe der von ihm begründeten Bewegung nicht darin, Kranke zu heilen und den lukrativen Beruf [...]

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Der Beichtspiegel

Teil 1. Lebensregeln, die nicht gelebt werden können?

Von allen Versuchen, die Wärme und Vielfalt des menschlichen Lebens mit klaren, kalten Vorschriften bis ins Intime hinein zu regeln, hat die katholische Sexualmoral wohl die längste Tradition und die mächtigste Organisation hinter sich. Aber wie das angesichts solcher aufgeblähten Tyrannei zu geschehen pflegt: Geheime Gänge durchziehen den Untergrund, wie es sie im Mittelalter schon zwischen Mönchs- und Nonnenklöstern gegeben haben soll; das Priestergewand wird zu Camouflage, Heuchelei ist alltäglich.

Meine eigene Laufbahn in der katholischen Kirche begann mit der Taufe und erreichte ihren Höhepunkt im Amt des linken Ministranten (der rechte [...]

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