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Mobbing zum Leben?

Wenn sich ein Familienvater ohne ein Wort zu sagen an einem Baum erhängt oder ein anderer in einem Gebüsch vergiftet, ohne dass die Angehörigen jemals eine Chance hatten, mit dem Vater/dem Partner über seinen Todeswunsch zu sprechen, liegt die Frage nahe, ob die grundsätzliche Möglichkeit, ein subjektiv unerträgliches Leben zu beenden, der Lebensqualität und dem Überleben nicht mehr dienen könnte als ein Tabu.

Es ist nicht nur lebensrettend, sondern auch todbringend, Menschen wegen Selbstgefährdung in einer geschlossenen Station unterzubringen. Viele Depressive verschweigen aus genau diesem Grund ihre Selbstmordpläne und setzen sie lieber heimlich in die Tat um. Nach den Erfahrungen des Schweizer Vereins Exit, der Sterbewillige unterstützt, sind fast alle Kandidaten für den assistierten Suizid körperlich schwerstkrank. Zwei Drittel von ihnen leben, nachdem sie das tödliche Gift beschafft und den assistierten Suizid vorbereitet haben, bis zu ihrem natürlichen Ende weiter. Sie dürfen, aber sie müssen nicht mehr leben.

Angesichts der Schwangerschaftsunterbrechung waren Diskussionen einst auch ähnlich verhärtet und von bösartigen Unterstellungen bestimmt, wie wir es gegenwärtig angesichts der Sterbehilfe beobachten. Beiden Seiten lassen sich ethische Motive nicht absprechen. Es geht im Grund um den pragmatischen oder idealistischen Weg der Hilfe in Bedrängnis. In den Debatten kann aber keine Seite auf Totschlagargumente verzichten, wie dem, dass die Abtreibung „befürwortet“, wer ihre Strafverfolgung einschränkt. In der Gegenrichtung heißt es dann, Abtreibungsgegner wären dafür, dass unglückliche Frauen auf dem Küchentisch verbluten.

Standesvertreter sagen, dass Mediziner geschult sind, Leben zu verlängern und nicht zu verkürzen. Das ist nicht falsch, aber es macht die Ärzte zu Schönwetterkapitänen. Ein Staatsanwalt bzw. Richter wird solche Grenzsituationen nicht besser, sondern in der Regel noch schlechter bewältigen als der Arzt. So wäre es sinnvoll, die Experten zu stärken, ehe die Problematik in den Untergrund sinkt und bei den Pflegenden landet, die in den letzten zwanzig Jahren häufiger als früher zu „Todesengeln“ – dem Gegenstück zu den „Engelmacherinnen“ von einst – geworden sind.

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