Vortrag
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Das Unbewusste und der Wald

Vortrag auf der Tagung: Blätterwald – Wald in den Medien

Die Bäume und die Ents! Tolkien hält den Leser im Ungewissen, ob manche Bäume schlafende Ents sind, die sozusagen baumisch geworden sind, und Ents erwachte Bäume, die gewissermaßen entisch wurden. Anscheinend findet auch immer noch ein Übergang zwischen beiden Wesensformen statt.

Wenn ein Baum schläft, ist er sozusagen neutral, ohne Arg, weder gut noch böse. Wenn er aber erwacht, dann kann es sich auch erweisen, dass er böse ist, er kann so gefährlich werden wie der Alte Weidenmann, vor allem, wenn kein Ent da ist, der ihn behütet. Ents sind Baumhirten, „Schafe werden wie Schafhirten, und Schafhirten wie Schafe, heisst es, aber langsam, und beide weilen nicht lange auf dieser Welt. Es geht schneller und gründlicher bei Bäumen und Ents, und gemeinsam wandeln sie durch die Zeiten.“ Viele Ents sind von Bäumen nicht mehr zu unterscheiden, es braucht etwas Grosses, sie aufzurütteln, und sie flüstern nur. Und manche der behüteten Bäume beginnen sich zu bewegen und zu sprechen.

Wie schlafende Tiere bleiben Bäume am Ort, eine ruhige Masse, passiv bewegt, wie doch auch der Wind das Fell des schlafenden Bären zaust. Was aber, wenn ein Baum erwacht, die Augen aufschlägt, um sich blickt, zu verstehen sucht, was um ihn herum geschieht? Es ist einsichtig, dass von diesem Augenblick an der Baum eine Wahl hat: er kann die immensen Kräfte, die ihm seine riesige Grösse schenkt, zum Guten einsetzen oder zum Bösen.

In Tolkiens Visionen über die Geister des Waldes haben durchaus die Reste der archaischen Waldangst überlebt. Die Kräfte der Bäume hängen von ihrem Alter ab, die ältesten sind auch die gefährlichsten – der Alte Weidenmann ist ausdrücklich so charakterisiert, Fangorn (Baumbart) ist der Älteste und Mächtigste unter den Ents, die Herzen der Bäume sind dort dunkel und gefährlich, wo die Täler besonders eng und unzugänglich sind, wohin seit Jahrhunderten Licht und Luft nicht dringen konnten. Überall dort, wo Sonnen- und Sternenlicht eindringen, verliert der Wald seine teuflische Seite; wer nachts im Wald geht, kann das im Unterschied seiner inneren Spannung nachvollziehen: sie ist auf überwachsenen, von den Baumkronen eingeschlossenen Pfaden größer als auf einem breiten Weg oder einer Lichtung.
Tolkien braucht die Ents, um einen Tatbestand zu schaffen und die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen: Baummord, heimtückisches, übelwollendes Niederhacken und Brennen von Bäumen. Die Ents singen Liebes- und Trauerlieder um ihre Bäume. Sie rächen sich an dem von Machtgier verdorbenen Zauberer Saruman, vernichten seine Heere und seine Maschinen, die Gestank und Gift verbreiten. Für die fünfziger Jahren, als Tolkien sein Werk verfasste, waren das unglaublich vorausschauende Bilder.

Gemessen an den langen Zeiten, in denen eine Pflanzengesellschaft wie der Wald entsteht, verändern sich menschliche Gesellschaften sehr schnell. Und da die menschliche Psyche in ihrer Entwicklung auf gesellschaftliche Einflüsse wie Sprache, menschliches Vorbild, Kontakt mit Ritualen, Mythen, Belehrungen angewiesen ist, können wir davon ausgehen, dass sich die Bedeutung des Waldes für des menschliche Unbewusste im Lauf der Geschichte verändert hat, wie ja auch die Vorstellung, dass es etwas wie ein Unbewusstes gibt, eine Entwicklung des vorigen Jahrhunderts ist. Ebenso hat es Wälder lange gegeben, ehe wir anfingen, uns wissenschaftlich mit ihnen zu beschäftigen.

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