Vortrag
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Berufsrollen unter Druck

Kritik werde entweder zurückgehalten oder entwertend vorgebracht; indirekte Kritik durch verdeckte Entwertungen (Klatsch) werde oft damit gerechtfertigt, wenn man sie direkt äußere, würden sich die Betreffenden krank schreiben lassen und den Rest des Teams mit der Mehrarbeit sitzen lassen. Die meisten Spannungen entstünden durch  nicht professionell geregelte Bedürfnisse nach Anerkennung, Zuwendung, Rücksichtnahme für eigene kindliche Wünsche. Sie erschwerten die Versachlichung von Auseinandersetzungen und die Entwicklung tragfähiger Kompromisse. Nicht selten gelte es in Teams als „normal“, dass eine zur Rede gestellte Mitarbeiterin weinend oder türenschlagend den Raum verlasse.

In solchen Fällen könne es geschehen, dass eine Leitungskraft, die in dieser Form zur Wirkungslosigkeit verurteilt würde, von anderen Mitarbeiterinnen Vorwürfe höre, sie sei zu weit gegangen. Jetzt sehe sie, was sie angerichtet habe.  Es gehe nicht mehr darum, ob die Kritik inhaltlich angebracht war. Den Ausschlag für die Beurteilung liefere die Tatsache, dass sich die Mitarbeiterin beleidigt fühlte und durch ihre Reaktion der Gruppe vermittelte, diese sei „böse“.
Wenn diese Beobachtungen zutreffen, lässt sich ein Zusammenhang zwischen der im Kindergarten betreuten Altersgruppe und dem Umgangsstil im Team ableiten: In  der Erziehung von Vorschulkindern ist direkte Affektäußerung normal. Es ist in diesem Alter gerade einem sonst gut versorgten und zur offenen Gefühlsäußerung erzogenen Kind schwierig zu vermitteln, dass eine Mutter, die keine Süßigkeit kauft, deshalb nicht „böse“ ist, dass ein Kind, dass sich nicht an die Abmachung hält, nach der letzten Gutnachtgeschichte auch einzuschlafen, nicht „gemein“ ist und „die Mutter ärgern will“.

Spaltungsreaktion und Professionalität

Es liegt nahe, zu vermuten, dass der ständige Umgang mit solchen Affekten die beteiligten Erzieherinnen prägt und sich schließlich in ihrem Umgang miteinander spiegelt. (Es wurde von Supervisoren in Kindergartenteams berichtet, die Teamsupervision habe mangels andere Räume in einem Gruppenraum auf den dortigen, für Kleinkinder gezimmerten Stühlchen stattgefunden). Die wichtigste dieser primitiven Spaltungsreaktionen im professionellen Feld ist die zwischen der „guten“ und der „schlechten“ Kraft. Voraussetzung, dass sie stattfinden kann, ist eine Zurücknahme der Professionalität. In einer professionell überlegten Arbeit ist den Beteiligten klar, dass jede Erzieherin beides ist, „gut“ und „schlecht“. Ihre professionelle Entwicklung läuft darauf hinaus, den „guten“ Anteil zu steigern. Niemand ist vollkommen, jeder kann dazulernen. Das sagt sich leicht, wird aber oft nicht durchgehalten. Dann regredieren Mitarbeite auf eine sozusagen entprofessionalsierte Position. In dieser gibt es die Guten, die sowieso alles können, und die schlechten, denen durch nichts zu helfen ist. In Bayern heißt das: „A Guada machts eh, und um den schlechtn is es net schad!“

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