Vortrag
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Berufsrollen unter Druck

Um Professionalität zu entwickeln, ist eine gemeinsame, selbstkritische  Haltung notwendig, in der Fehler keine Schande, sondern ein Anlass sind, es besser zu machen. Die Beteiligten sind einig, dass die professionellen Ziele immer noch genauer verwirklicht werden können. Sie gehen davon aus, dass jede Mitarbeiterin Fehler macht und sich verbessern kann. Mitarbeiterinnen, die Fehler  eingestehen und an ihrer Verbesserung arbeiten, sind professionell „besser“ orientiert als  Mitarbeiterinnen, die sich selbst für fehlerlos halte und Kolleginnen angesichts eines Fehlers entwerten.

Zur Professionalität gehört allerdings auch eine definierte Durchschnittsleistung, die unbedingt erbracht werden muss; verbunden damit gibt es Fehler, welche nicht kritisiert, sondern vorn Anfang an verhindert werden müssen. Wenn z.B. ein Chirurg das falsche Bein amputiert oder unsteril arbeitet, lautet die Frage nicht mehr, wie er seine Professionalität verbessern kann, sondern wer dafür verantwortlich ist, dass eine derart ungeeignete Person an den Operationstisch treten durfte. Die Unterscheidung zwischen beiden Typen von Fehlern ist ein wichtiges Kriterium über die professionelle Reife einer Tätigkeit. Wo sie verwischt wird und immer wieder Diskussionen ausbrechen, ob ein Fehler kritikwürdig ist oder unbedingt verhindert hätte werden müssen, ist ein Beruf noch wenig professionell geprägt.

Die Welten der Liebe und der Professionalität

Wenn wir nach Schlagworten suchen, sozusagen nach Fähnchen, die wir auf die aneinander stossenden Kontinentalschollen im Kindergarten stecken können, dann scheinen „berufstätige Frau“ – „Mutter“ – „Liebe“ – „Leistung“ – „professionelle Organisation“ – „Familie“ naheliegende Wahlen. In einer Familie geht es um Liebe und Loyalität. Es entspricht nicht  unserem Ideal von Familie, kleinlich nachzurechnen, sich an kontrollierte Arbeitszeiten zu halten. Das System beruft sich auf Liebe und Dankbarkeit. Das sind ideale Vorstellungen, welche reale Familien ebenso oft verletzen wie erfüllen. Aber das bedeutet nicht, dass wir solche Ideale aufgeben; wir können höchstens lernen, uns von ihnen zu distanzieren. Das ist überall dort schwierig wo  Menschen im Bannkreis von Familien arbeiten.

Kleine Kinder sind ein Kristallisationskern für solche Phantasien, dass eine heile Familie schöner, besser, segensreicher ist als jede Institution. Sie sollen nicht nur an den Osterhasen und das Christkind glauben, sondern auch daran, dass sie von ihren Eltern geliebt werden und diese lieben. Und sie sollen aus eben diesem Grund optimistisch und glücklich sein. Der Kindergarten ist der erste Test für solche Illusionen. Will er nicht auch lieber eine heile Familie sein und keine kühle Institution, in der es darum geht, was Menschen für ihre Bezahlung tun?

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