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Und was kann ich tun gegen die Angst?

Das sind alles durchaus realistische Ängste; etwas Neurotisches lässt sich in ihnen nicht erkennen. Vielleicht sagen die Umfragen nicht nur, dass die Ängste zunehmen, sondern dass wir auch offener über sie sprechen und die militärischen Werte (in denen solche Gefühle als abscheulicher innerer Schweinehund gelten) nicht mehr so greifen.

Was bedeutet das für die Frage nach einem guten Umgang mit Ängsten? Es heißt zuerst, dass jede Angst ernst genommen werden sollte. Denn beim ersten Hinfühlen ist nicht klar, ob es sich um eine sehende Angst handelt, die uns auf reale Gefahren vorbereitet, oder um eine blinde, die uns angesichts lösbarerer Probleme lähmt. Wenn ich beispielsweise noch einen Arbeitsplatz  habe, mich aber fürchte, diesen zu verlieren, ist es ebenso falsch, diese Angst als unsinnig abzutun, wie über ihr schlaflose Nächte zu verbringen. Es geht darum, reale Gefahren einzuschätzen, Lösungen für sie vorzubereiten,  planmäßig tätig zu werden.  Wer sich angesichts solcher Ängste über die Situation seines Unternehmens informiert, sich nach seinen Möglichkeiten in Betriebsrat, Gewerkschaft, Verband engagiert, kann auch deshalb ruhiger schlafen, weil er tagsüber etwas gegen diese Angst unternimmt.

Solche Empfehlungen sind nicht neu. Hope for the best, prepare for the worst – das Beste hoffen, sich für das Schlimmste vorbereiten ist eine ebenso gültige Regel wie no risk, no fun. Jede Lust ist mit einem Risiko verbunden, und sei es nur dem, dass es mehr schmerzt, etwas zu verlieren, als es nie gehabt zu haben. Angst ist ein Gefühl, das zur Aktion drängt. Daher hindern uns neurotische Ängste ja auch so hartnäckig am Schlaf und spiegeln uns vor, wir seien dem Leben nicht mehr gewachsen, wenn wir jetzt nicht endlich einschlafen, würden aber andrerseits von heute auf morgen tablettensüchtig, wenn wir eine der im Nachtkästchen bereitliegenden Pillen schlucken.

Jede Angst schreit uns sozusagen an: du musst mich in den Griff bekommen, du musst eine Lösung finden, wenn du keine findest, ist alles aus! Das vernünftige Ich erträgt dieses Geschrei und klärt unbeeindruckt,  wie die angekündigte Gefahr einzuschätzen ist. Aber die Vernunft sagt uns auch, dass die Angst zum Leben gehört und es weder möglich noch sinnvoll ist, sich von ihr zu befreien. Typisch für Angstpatienten ist, dass sie nach einem Jahr einer Therapie, in der sich viel in ihrem Leben zum Besseren verändert hat, übernächtigt in eine Sitzung kommen und sagen: Jetzt hatte ich so gehofft, dass die Angst nicht wieder kommt! Und sie war doch wieder da, schlimmer als je zuvor!
Aber es wäre ja eine unbrauchbare Angst, die beim fünften Säbelzahntiger sagt: Der ist nicht mehr so gefährlich wie die vorausgehenden,  da kann ich es gemütlicher angehen lassen! Nein, die Angst muss immer so in unser Erleben treten, als sei die gegenwärtige Gefahr die schlimmste, die ich je erlebt habe.

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