Alle Artikel in: Kolumnen

German Angst?

Die Messehallen erinnerten an einen Ameisenhaufen. Kaum eine Ameise wusste von den Absichten und Zielen der anderen. Da rund 60 000 Neuerscheinungen vorzustellen waren, vermutete ich in vielen dieser Ameisen einen Autor wie mich selbst und stellte mir vor, er trüge „sein“ Buch bei sich, wie die rote Waldameise eine Fichtennadel in ihren Kiefern trägt, um die Ameisenburg höher zu bauen.

Jeder Reporter, der mir während meines Besuchs auf der Frankfurter Buchmesse über den Weg lief, wollte etwas über sie wissen: die German Angst. Und ich wollte dazu etwas sagen, schliesslich ging es darum, mein neues Buch über das „Lebensgefühl [...]

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Guter Rat ist billig

Als ich mich vor 26 Jahren scheiden lassen wollte, musste ich es irgendwann auch meiner Mutter sagen. Sie riet mir energisch ab ab. Wer heiratet, muss sich vorher überlegen, auf was er sich einlässt. Es geht nicht an, eine Ehe aufzulösen. „Du musst dich zusammennehmen und die Sache durchstehen!“ Als ob ich mir das nicht selbst schon hundertmal gesagt hätte! Es ging mir auf die Nerven. Ich hatte genug Probleme. Ein Psychologe soll sich nicht scheiden lassen. Wozu ist er Experte für die Lösung emotionaler Konflikte?
Schliesslich sagte ich gereizt: „Du hast ja keine Ahnung. Wie lange warst du eigentlich [...]

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Die dunkle Seite der Mutter

Angesichts der neun Babyskelette, die jetzt in Breskow-Finkenheerd gefunden wurden, gehört es schon fast zum guten Ton, nicht nur Abscheu, sondern absolutes Unverständnis zu bekunden. In solchen Situationen bemerken wir wieder, wie wichtig uns die Illusion von der guten Mutter ist und wie zäh wir an ihr festhalten. Es fällt uns sehr schwer, zu akzeptieren, dass Mutterschaft keine persönliche und moralische Leistung ist, sondern eher ein Geschenk günstiger innerer und äusserer Bedingungen.

In Wahrheit ist die Beziehung zwischen Mutter und Kind wie alle hoch leidenschaftlichen und existenziellen Beziehungen ambivalent, das heisst aus Liebe und Hass gemischt. Viele Frauen sehnen sich [...]

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Das Zwischenlager

Kennen sie die Menschen des Zwischenlagers? Sie sind ständig damit beschäftigt, zu suchen was sie eben nur schnell irgendwohin gelegt haben. Ihren Arbeitstisch zieren große Stöße von Vorgängen, die sie alle irgendwann erledigen wollen. Wenn es gar nicht mehr anders geht und sie endlich den Bürokram erledigen wollen, fangen sie an umzuschichten. Schließlich müssen sie das Wichtigste herausfiltern, anderes kann ja noch warten, hat sich vielleicht sogar von selbst erledigt. Sie wiegen die Blätter bedächtig in der Hand, lesen ein Stück, entscheiden sich dann doch, lieber etwas anderes, wichtigeres zu machen. Zeit ist knapp, denn die Stunden im Zwischenlager fehlen.[...]

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Meine Beziehungsbücher

Die „Angst vor Nähe“ von 1986 war mein erstes „Beziehungsbuch“. Den Impuls, einen solchen Text zu schreiben, verdanke ich mehreren Einflüssen. Der erste ist meine eigene Geschichte.
Ich bin zweimal geschieden und kenne die Beschämung genau, wenn idealisierte Erwartungen zusammenbrechen und die Einsicht unausweichlich ist, dass es im Leben eben nicht immer glatt geht. Aber ich kenne auch den Trost, dass Beziehungsprobleme lösbar sind und die Scham abnimmt, wenn wir ein wenig Humor über die Primitivität etwa des Gedankens entwickeln, dass sich Psychologen (Psychoanalytiker gar) durch glatte Konfliktlösung auszeichnen müssten und es nicht viel wert ist, aus eigenem Scheitern zu [...]

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Die Helferdiskussion

Beobachtungen eines Referenten

Der grosse Saal des Ärztehauses in Freiburg war überfüllt. Zu einer gemeinsamen Fortbildung über das Thema „Hilfe für Helfer“ waren viele Ärzte und Psychotherapeuten erschienen. Sie hörten aufmerksam den Ausführungen des Referenten über die Hintergründe von Helfer-Hilflosigkeit, Helfer-Syndrom, Burnout und professioneller Entwicklung zu. Die Diskussion verlief zunächst etwas schleppend. Dann stand ein Arzt auf und fragte, wie sich der Referent das vorstelle: neben fünfzig, ja sechzig Stunden Praxisarbeit jede Woche auch noch eine Intervision, eine Balintgruppe, berufspolitisches Engagement und ein befriedigendes Privatleben zu haben, was der Referent doch alles als Hilfswege vorgeschlagen habe.

Dann meldete sich eine [...]

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