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Der Stoff aus dem Propheten sind

Hubbard hat in Scientology Elemente eines Mysterienkultes mit modernem Management verbunden. Das ist keine Religion, die sich mit freiwilligen Spenden begnügt oder versucht, ein Stück vom Kirchensteuerkuchen zu erhaschen, sondern eher ein System, in dem Schritte zur Erleuchtung in einem Schneeballsystem konsequent vermarktet werden.
Wer viel Geld für Kurse ausgibt, dem wird versprochen, dass er irgendwann Kursleiter wird und einen Teil des eingesetzten Geldes zurückgewinnt. Daher kämpfen Scientologen um ihren und Hubbards Ruf mit der Energie, die jeder Mensch entwickelt, sobald man seinen Besitzstand beschneiden will.
Es scheint mir unlogisch, dieses System zu dämonisieren. Es gleicht in vielen Einzelheiten der Organisation der Therapieausbildungen, die sich von den ersten psychoanalytischen Instituten bis zu den Gründungen der „humanistischen“ Therapieformen ähnlich, freilich erheblich durchschaubarer und mit geringeren Versprechungen entwickelt haben.
Bei der Gründung eines solchen Ausbildungsinstituts für Therapeuten schliesst sich eine Gruppe zusammen, die so selbstbewusst und gut organisiert ist, dass sie Nicht-Gruppenmitgliedern ein Aufnahmeritual schmackhaft machen kann, das diese mehr oder weniger viel Geld kostet. Dieses verspricht mehr oder weniger deutlich, sie könnten, sobald sie selbst „Eingeweihte“ seien, an der (Ausbildungs)Macht der bereits Eingeweihten teilhaben.
Die Gründungsmitglieder sind „Lehrtherapeuten“ (Hubbard hat hier phantasievollere Namen erdacht, die mit seinen kosmischen Visionen als Autor von Zukunftsromanen zusammenhängen). Den Novizen wird versprochen, sie könnten ebenfalls Lehrtherapeuten werden; so investieren sie in ihre Zukunft. Das organisatorische Problem ist die manische Vision, dass schließlich die ganze Menschheit an den Propheten glauben wird. Daher werden alle Novizen, die sich zum Missionar fortbilden, so viele neue Novizen finden, dass sie ihr Lehrgeld mit Gewinn zurückbekommen. Wenn ihnen das nicht gelingt, war ihr Glaube oder ihre Überzeugungskraft zu schwach.
Solange eine solche Bewegung schnell expandiert, haben alle frisch ausgebildeten „Missionare“ genügend zu tun und finden ihren Einsatz an Zeit, Geld und Energie belohnt. Irgendwann gibt es aber nicht mehr genügend Interessenten; ein Verteilungskampf beginnt.
Aus den Berichten von Aussteigern (die natürlich kritisch beurteilt werden sollten) scheint mir das Versprechen der „Dianetik“ dem Aufbau einer funktionierenden manischen Abwehr nahezukommen. Auch das ist weder dämonisch noch orginell. Während einer Übernachtung in der Zelle eines katholischen Klosters anlässlich einer Tagung habe ich einen Wandspruch gesehen, der den Anspruch dieser Abwehr genau formuliert: „Gewinne allen Dingen ihre helle Seite ab, und wenn es keine helle Seite gibt, poliere die dunkle so lange, bis sie glänzt!“.