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Anatolische Reise

Von Kappadokien zum schwarzen Meer Mit dem Leihwagen durch Anatolien

Der vulkanische Tuff härtet langsam aus, indem er mit der Kohlensäure der Luft reagiert. Wer die harte Schale durchdrungen hat, kommt zu einem weicheren Kern, der sich wie Holz bearbeiten lässt – mit Säge, Stemmeisen und Axt. Kein Kubikzentimeter wird dem Menschen hier geschenkt. Das mag zu der Andacht beitragen, die Reisende am Ziel ihrer Hypermobilität befällt: Die Raumfresser begegnen den Hungerkünstlern des Raumes und erkennen, wie wenig sie mit dem Vielen machen und wie viel die anderen aus ihrem Wenigen gemacht haben.

Nach den Höhlen Kappadokiens, den rauchgeschwärzten, den steinfarbenen, den gewölbten und den bedrückenden, den farblosen, den bunten, denen ohne menschliches Gesicht und denen mit Scharen heiliger Gestalten, den finsteren und den erleuchteten, den seit Jahrhunderten wohl erhaltenen und den zerfallenen, mit Schutt erfüllten, brechen wir auf ans schwarze Meer. Auf dem Weg haben wir einen Auftrag.

Das Dorf des Mörders

Ein Gefährte ist Anwalt, er hat einen Mann aus einem anatolischen Dorf abseits der Strasse zwischen Kayseri und Sivas verteidigt, der wegen eines Mordes angeklagt wurde. Es gibt unter den Ausgewanderten einen Verein, der Geld sammelt, um die in der Fremde Verstorbenen zurück in das Dorf zu bringen und sie dort zu begraben. Der Mörder hatte den Verein über Jahre hin patriarchalisch geführt, korrekt nach seinem Dünken. Dann wurde ein Mitglied aus einer rivalisierenden Familie des Dorfes in den Vorstand gewählt, ein ehrgeiziger Mann, der drohte, Unterschlagungen des Vorsitzenden aufzudecken.

Dieser wurde eines Tages erschossen aufgefunden. Indizien sprachen gegen den bisherigen Vorsitzenden. Während des Prozesses kamen sich der Verteidiger und die Familie des Beschuldigten nahe. Die Beweise waren erdrückend, aber als guter Strafverteidiger sagte unser Freund kein Wort dazu, ob er seinen Mandanten für schuldig hielt oder nicht. In der gegenwärtig anstehenden Revision ging es vor allem um die Motive: hatte der Täter tatsächlich Geld unterschlagen und wollte dieses Delikt vertuschen, oder war er in seiner Ehre gekränkt?

Ich will den Ort sehen, von dem ich so viel gehört habe,“ sagte der Anwalt. „Aber wenn ich mich anmelde, werden wir so bewirtet, dass uns das Stunden aufhält, fahren wir doch nur hin und trinken einen Tee. Sie werden sich freuen, wenn ich erzähle, dass ich es gesehen habe, aber keine Zeit hatte, mich bei jemandem von der Verwandtschaft zu melden.

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