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Burnout in der Psychotherapie

Beitrag zu dem von Otto Kernberg u.a. herausgegebenem Band "Wir Psychotherapeuten", Stuttgart 2004

Wenn sich ein Therapeut scheiden läßt, wenn er den Tod seiner Eltern oder anderer nahestehender Menschen erlebt, dann wird er mit verwandten Themen in seiner Arbeit künftig anders umgehen, als sein Kollege, den bisher diese schmerzlichen Seiten des menschlichen Lebens nicht berührt haben. Ähnliches gilt natürlich für eigene Erfahrungen mit neurotischen Problemen, mit psychosomatischen Symptomen, für ein belastetes Kindheitsschicksal, wie beispielweise eigene Erfahrungen von Elternlosigkeit, sexuellem Mißbrauch oder schwerer körperlicher Erkrankung.
Privatleben und Beruf des Beziehungshelfers wirken in einer Weise aufeinander und beeinflussen sich wechselseitig, die spezifisch und neuartig ist. Ich habe versucht, eine Typologie zu entwickeln, die solche Wechselwirkungen thematisch ordnet (Schmidbauer 1983). Obwohl ich der Darstellbarkeit zuliebe die einzelnen Typen mit plakativen Namen versehen habe, handelt es sich eher um die modellhaften Lösungen einer Grundproblematik. Die Lösungstypen:
Der erste ist das Opfer des Berufs. Hier führt die Tatsache, daß der Beziehungshelfer in seiner Arbeit zahlreiche emotionale und Kontaktbedürfnisse befriedigen kann dazu, daß sein Privatleben buchstäblich vom Beruf aufgezehrt wird. In früheren, traditionellen Gesellschaften war der Verzicht auf emotionale Beziehungen außerhalb der helfenden Arbeit in einen festen Rahmen gefaßt, der sich – in gesellschaftlich stark reduzierter Form – bis heute erhalten hat. Ich meine damit vor allem klösterliche Lebensgemeinschaften, deren Gelübde die völlige Hingabe an die vom Orden vorgegebene Aufgabe enthalten. Hier handelt es sich um eine bewußt vollzogene, durch religiöse Überzeugungen gestütze Wahl, während die Opfer des Berufs unter den Beziehungshelfern eher wider ihren Willen und in einem weltlichen Rahmen ein rein berufliches Leben führen, ihre gesamte Freizeit in Fortbildungen verbringen, nur über ihre Arbeit zu sprechen und nachzudenken scheinen. Es scheint, daß der an emotionalen Anregungen und Kontakten reiche, diese aber auch begrenzende Beruf des Therapeuten eine gewisse Ersatzfunktion erfüllen kann, wenn intime Beziehungen im Alltag als bedrohlich empfunden werden. Diese Ersatzbefriedigung wird zum existenziellen Risiko, wenn der Helfer erkennt, daß ihn die berufliche Beziehungsarbeit letztlich doch nicht ausfüllt, und z.B. an Depressionen erkrankt, die daher rühren, daß sein Privatleben verarmt ist und er sich zu alt fühlt, um z.B. noch eine Familie zu gründen, eigene Kinder zu haben.
Der Spalter steht für einen zweiten Reaktionstypus. Er versucht, in dogmatischer Weise zwischen dem intimitätsnahen Beruf und dem Privatleben zu trennen. Dadurch verarmt sein Privatleben an genau jenen Qualitäten, die er im Beruf ausübt; er versucht es zu einem Bereich zu formen, in dem er nicht an den Beruf erinnert wird und sich deshalb auch von dessen Forderungen erholen kann. Ein Beispiel für solche Spaltungsprozesse findet sich in vielen Arztfamilien, wo die Kinder mit hohem Fieber noch „gesund“ sind, während Patienten in diesem Zustand längst krank geschrieben werden. Ein anderes Beispiel für Spaltungsprozesse ist der Therapeut, der während eines Ehekonfliktes seine Frau anschreit, er habe den ganzen Tag mit jammernden Hysterikerinnen zu tun und könne sich jetzt nicht auch noch mit ihr beschäftigen. Im Gegensatz zum Opfer des Berufs, das nur wenige Regressionsmöglichkeiten entwickelt („über meine Sorgen spreche ich nur mit Gott“, erklärte einmal ein Vertreter dieses Typus in einer Selbsterfahrungsgruppe), ist der Spalter in seinen nichtberuflichen Beziehungen oft besonders stark von Regressionen bestimmt.

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