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Sexuelle Gewalt und männlicher Narzissmus

Nicht nur unter Migranten drohen Entgleisungen, wenn sich Männer als Verlierer im sozialen Fortschritt erleben

Diese Gefahren wurden in traditionellen Kulturen von den erweiterten Familien geregelt, nicht von den in ihren Affekten befangenen Individuen. Es ist ein Riesengewinn an Freiheit, dass sie heute von Männern und Frauen allein verarbeitet werden dürfen. Und eine unheimliche Entwicklung, wenn sich Männer zusammenrotten und gemeinsam diesen Fortschritt wieder aus der Welt schaffen möchten.

Freud hat die „phallische Phase“ beschrieben, in der Knaben die Bedeutung des Penis überschätzen, ihn als einzig bedeutungsvolles Sexualorgan idealisieren und ihre Kastrationsängste auf Frauen projizieren, die sie für minderwertig und ihnen unterworfen erklären. Was in den Krisen der nicht mehr traditionell gebundenen und noch nicht in der Moderne angekommenen Männer geschieht, entspricht einer Regression auf diese infantile Vorstufe einer reifen, genitalen, am Austausch orientierten Erotik.

Wenn schon der Dichter, moralisches Vorbild für Gymnasiasten-Generationen, die Frau, der er allein begegnet, quasi zum Freiwild erklärt, dürfen wir aufhören, solche Entgleisungen als exotische Gefahr zu deuten, die aus südlichen Ländern in unsere geordnete Welt eindringt. Nebenbei: Jedes Jahr kommt es auf dem Münchner Oktoberfest zu im Schnitt 200 Anzeigen wegen Vergewaltigung. Sexuelle Belästigungen werden dort nicht registriert.

Männer als Verlierer im Prozess der Zivilisation

In seiner großen Studie über den Prozess der Zivilisation hat Norbert Elias minutiös verfolgt, wie die Modernisierung einer Gesellschaft immer auch die Zurücknahme männlich-narzisstischer Dominanz ist. Wo das Faustrecht herrscht, ist der Mann überlegen. Sobald Höflichkeit, Gesetz und Recht regieren, verliert er viel Kraft damit, sich Regeln zu unterwerfen, über die er sich lieber hinwegsetzen würde, während die Frauen sie begrüßen und nutzen.

Wo es in der westlichen Welt eine elaborierter Schulbildung gibt, haben gegenwärtig Jungen schlechtere Noten; sehr viel mehr von ihnen verlassen die Schule ganz ohne Abschluss. Auch in den Fächern, die als „unweiblich“ gelten, Mathematik und Naturwissenschaften, bringen Mädchen im Durchschnitt bessere Leistungen. Die Analysen dieses Phänomens haben die populäre These entkräftet, dass die Jungen durch die meist weiblichen Lehrkräfte benachteiligt werden.

Alle Lehrer, Männer wie Frauen, benoten Mädchen besser; im Übrigen waren die Zensuren der Jungen auch schon vor hundert Jahren schlechter, als das Bildungssystem noch von Männern dominiert war. In neutralen Tests unterscheiden sich die Geschlechter sehr viel weniger als in den Schulnoten; Mädchen schnitten zwar besser beim Lesen ab, aber in den anderen Fächern waren die Jungen mindestens genauso gut. Noten spiegeln vor allem den Eindruck, den die Schule von der Fähigkeit der Schüler hat, mitzuarbeiten und sich an den vorgegebenen Zielen zu orientieren. Sie bewerten die Konzentration während einer Prüfung, das Durchhaltevermögen in der Vorbereitung, die Lernbereitschaft.

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