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Auf nicht natürlichen Wegen

Die Fertilitätsmedizin kann Paare beglücken - und überlasten

Soll ich die Eindrücke aus vielen Begegnungen mit Müttern, Vätern und Paaren in den Familien zusammenfassen, die durch ein „Kunstkind“ erst zu Familien wurden? Am Ende sind die Unterschiede zu den auf natürlichem Weg gewachsenen Familien nicht nur minimal, sondern die „Kunstfamilien“ haben den „Naturfamilien“ auch manches voraus.

Auch das ganz und gar in romantischer Nähe entstandene Baby setzt die Beziehung und vor allem die Erotik der Eltern heftigen Belastungen aus. Diese treffen gerade das seiner Harmonie bisher sichere Paar mit besonderer Wucht. Da haben Partner, die schon vorher zusammen das Misslingen naiver Lebens- und Liebesvorstellungen verarbeitet haben, oft bessere Chancen. Sie haben Toleranz und Humor eingeübt, sie können akzeptieren, dass manchmal krumme Wege gegangen werden müssen und es wichtiger ist, sich auf ihnen zu unterstützen als sich wechselseitig das Scheitern von Glückserwartungen vorzuwerfen.

Das Gleiche gilt übrigens für die Schwangerschaften in lesbischen, die Adoptionen in schwulen Paaren. Auch hier ist hat das Hinzukommen des Dritten, des Babys von Anfang an in einem langen Entscheidungsprozess die Haltung des Paares gefestigt und die Partner trainiert, sich angesichts dieser Aufgabe zu organisieren und gegenseitig zu unterstützen.

Diese Grundlage macht den Mangel an kultureller Normalität, der von konservativer Seite vollmundig und realitätsfern als „Recht des Kindes auf Vater und Mutter“ vertreten wird, mehr als wett. Ich wünsche den Aposteln familiärer Normalität ein Praktikum in einem Familiengericht, einem Jugendamt oder einer Erziehungsberatungsstelle. Dort könnten sie erkennen, wie verheerend sich die Rechthaberei von Vätern wie von Müttern auswirkt, von denen jeder das Normal für sich beansprucht und gegen den anderen vertritt.

Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien in Chrismon am 2. August 2014

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