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Das Trauma des Verführers

Clinton ist zweifellos ein Mann, dem öffentliche Anerkennung viel bedeutet, der sich viel zutraut und hart arbeitet, um beliebt zu sein. Wenn er dabei oft so wirkt, als spiele er eine Rolle, und sich Lügen nachweisen lassen muß, spricht das dafür, daß er als Kind keine stabile Identifizierung mit einem von ihm anerkannten Vater vollzogen hat. Sein Rechtsempfinden ist kindlich; wenn er nicht ertappt wird oder sich herausreden kann, ist auch nichts Böses geschehen.
Wenn er damit nicht mehr durchkommt, zeigt er Reue und bittet um Entschuldigung; er ist dann schnell überzeugt, alles sei wieder gut, so daß Beobachter den Eindruck gewinnen, seine Reue sei nicht aufrichtig. Das geht wohl zu weit; sie ist aufrichtig, aber nicht tief, sie reicht nicht weiter als der Wunsch des Kindes, die Mutter zu versöhnen. Wenn diese wieder „gut“ ist, ist alles wieder gut, die eigene Tat ist vergessen, als sei sie nie gewesen.
Clinton erscheint dem Betrachter als typischer „ödipaler Sieger“: seine Beziehung zur Mutter erwies sich als stärker als die Beziehung der Mutter zu einem von beiden respektierten Vater. Solche Konstellationen geben dem Kind die Phantasie von Allmacht und Unwiderstehlichkeit, rauben ihm aber inneren Halt und ein wirklich verläßliches Selbstgefühl, das Verführungen und Versagungen standhalten kann. Solche Menschen bleiben darauf angewiesen, bewundert zu werden und fürchten sich vor einer inneren Leere, die auftritt, wenn die Bestätigung ausbleibt. Der Versuch, möglichst viel Bestätigung zu gewinnen, führt solche Männer in große Aktivitäten, sich zur Geltung zu bringen.
Clinton ist in seiner sexuellen Struktur kindlicher als Don Giovanni. Dieser phallische Held tötet die Vater-Figur im Duell. Er scheitert an seinem Hochmut, mit dem er sich über göttliches und menschliches Recht hinwegsetzt, um seine innere Leere durch unzählige Verführungen zu füllen. Clinton ist ein verhinderter, von kindlicher Reue und Skrupeln geplagter Don Juan, ein gehemmter Eroberer, ein Exhibitionist, der mit schlechtem Gewissen den phallischen Helden gibt. Aber wie Don Giovanni in der Oper überzeugt er doch mehr als seine irdischen Verfolger. Selbst Hillary kann – ähnlich Donna Elvira – nicht umhin, trotz ihrer Wut auf den Treulosen zu seiner Rettung herbeizueilen.

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