Angst greift um sich. Unberechenbare Angst, nicht berechenbare Gier, möglichst viel zu verdienen, möglichst viel Profit aus einer Situation herauszuholen. Das Werk in Bochum produzierte bis zuletzt rentabel. Aber es erwirtschaftete nicht die verrückt hohe Rendite, welche der Mobilfunksektor beansprucht: 22 Prozent. (Zum Vergleich: in einem Buchverlag sind alle froh, wenn sie eine Rendite von fünf Prozent erreichen).
Bochum wird dichtgemacht, weil die Angststimmung in den höchsten Etagen der Aktiengesellschaften ein Vermeidungsverhalten prägt, das von panischer Abwehr vermeintlicher, in der Zukunft drohender Gefahren bestimmt ist. Natürlich geht es auch um Profit, aber es ist eine angstbestimmte Rhetorik über künftige Profite und künftige Verluste, welche die Entscheidungen prägt. Gleichzeitig werden die ökologischen Probleme verleugnet, als ob wir gar keine Angst davor haben müssten, dass Rohstoffe und Energie begrenzt sind.
Solche Manager vergeuden Ressourcen, um ein Produktionszentrum zu verlegen, das sich zwar noch rentiert, sich aber einmal nicht mehr rentieren könnte. Kurzfristig wird ein Werk in Kirgistan oder China rentabler sein. Aber niemand weiss, wie in fünf Jahren die Zustände dort sind. Die Aktienkurse freilich reagieren positiv auf solche Voraussicht.
Während das typische deutsche Kreiskrankenhaus nur schwer aus dem ökonomischen Tiefschlaf zu wecken ist, der es jahrelang im Defizit gehalten hat, sind die internationalen Konzerne mehr als wach. Sie leben in dauernder Angst, etwas zu verschlafen und agieren in kalter Panik, den shareholder value immer fest im Blick.
Die Menschen im Umfeld solcher Entscheidungen belastet das sehr. Very human ist das Motto von Nokia; die Mitarbeiter in Bochum waren alle per Du, vom Vorstand bis zum Portier. Verdient wurde über Tarif, die Betriebsrente war beneidenswert, angesichts eines Produktionsrekords wurde die Belegschaft zu Kaffee und Kuchen eingeladen.
Angst entsteht angesichts von Gefahren, die wir nicht abschätzen können. Wenn eine Fabrik schlecht wirftschaftet, wissen alle, dass Gefahr im Verzug ist. Aber wenn eine Fabrik gutes Geld verdient und trotzdem kaputtgemacht wird, wächst der seelische Stress.
Veröffentlicht am 7. August 2008
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Die Schnellen fressen die Langsamen
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