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Freunde bleiben, Feinde werden?

Seelenzustände nach Trennung und Scheidung

Die Angst, nie eine sexuelle Erfahrung gemacht zu haben, lässt uns als Jugendliche die Beschämung riskieren, welche mit den Ungeschicklichkeiten der Erotik verbunden ist. Die Angst, seine Potenz zu verlieren, zwingt den Sexsüchtigen dazu, sie sich ständig zu beweisen. Die Angst vor Verlassenheit kittet Beziehungen und führt Menschen dazu, erst dann eine belastende Beziehung aufzugeben, wenn sie eine neue Liebe gefunden haben.
Angst führt dazu, dass wir unter großem inneren Druck und heftigsten unangenehmen Anspannungen danach streben, einen sicheren Ort zu finden. Der wichtigste dieser sicheren Orte ist ein Liebesobjekt, genauer gesagt: ein Liebesritual, denn gerade in ambivalenten Situationen verlieren die Liebesobjekte selbst die Fähigkeit, unsere Ängste zu beruhigen. Wir suchen dann verzweifelt nach Lösungen, um das beruhigende Ritual wieder zu finden. Der Partner an und für sich weckt eher Wut, wenn er nicht sofort alles stehen und liegen lässt, um das Richtige gegen die eigene Verunsicherung zu sagen oder zu tun.
Nicht sein Anblick beruhigt, nicht seine Anwesenheit, nicht das Gute, das in der Vergangenheit war – es beruhigt allein der Vollzug eines bestätigenden Rituals. Erst in diesem findet das geängstigte Ich einen sicheren Ort.

Da wir in der Angst eine Bedrohung von außen erleben, sind wir meist nicht imstande, uns selbst als Angstquelle wahrzunehmen. Das bringt beträchtliche Schwierigkeiten mit sich, ungünstige Rituale in Partnerschaften zu verändern: die Partner erkennen genau, wo ihnen ihr Gegenüber Angst macht und was dieses unbedingt ändern müsste, damit sie weniger Angst haben. Aber sie erleben nicht, wo sie selbst ihrem Partner Angst machen und was sie selbst tun könnten, um seine Ängste zu mildern. „Du kannst doch keine Angst vor mir haben! Ich bin doch dein Mann, ich habe dir noch nie etwas getan, im Gegenteil, ich habe dich versorgt, dir ein Haus gebaut, wir haben Kinder, und wenn es dich stört, dass ich manchmal gereizt bin, weil du dich sexuell verweigerst, dann ist die Lösung doch ganz einfach!“

Wo Angst regiert, gibt es keine kleinen Probleme, keine harmlosen Missempfindungen, keine gewöhnlichen Paarkonflikte. Es gibt nur Katastrophen. Die Missempfindung steht für eine tödliche Krankheit, der Paarkonflikt wird meine Ehe ruinieren; ich werde das Haus verkaufen müssen, am besten bringe ich mich gleich um. Alles, was wir haben und sind, wird als gefährdet erlebt. Das hat seinen biologischen Sinn darin, alle Kräfte zu sammeln, um die Motivation so anzuspannen, dass die Gefahr bezwungen wird.
Für den Mann, dem seine ritualisierte Erwartung an das sexuelle Entgegenkommen seiner Frau unerfüllt bleibt, sind das schöne Haus, der grüne Garten, die munteren Kinder nichts mehr wert, wie ja auch sein Vorfahr auf der Flucht vor dem Säbelzahntiger nicht auf die Schönheiten der Steppe achten konnte.

Die Gefahr hat sich verändert, seit wir in verwalteten Sicherheiten leben; die affektive Reaktion aber nicht. Ganz ähnlich wird auch für die Frau, die eine erotische Mail der Rivalin im Rechner ihres Mannes findet, der gar nicht drohende Verlust ihres Partners zum herzerschütternden Schmerz. Er will bei ihr bleiben, sonst hätte er den Seitensprung ja nicht verheimlicht. Aber das gemeinsame Ritual ist bis in die Grundfesten erschüttert.
Es ging verloren, was bisher ein sicherer Ort war. Sie hat geglaubt, er liebe sie so, wie sie ihn liebt – und jetzt liebt er eine andere! Durch diese im Erleben des Partners belanglose Verletzung seiner Liebeswelt durch einen harmlosen Seitensprung entweicht in ihrem Empfinden alles Wesentliche.

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