Da Bücher zu den wenigen Dingen gehören, die in den bisher rund zehn Einbrüchen in das Haus noch nie mitgenommen wurden, ist die Hoffnung gering, dass meine psychologische Analyse der Befindlichkeit von Einbruchsopfern einen der Täter erreicht. Obendrein spielen sich die Szenen in Mittelitalien ab, nicht in Deutschland. Ferner wir man einwenden, dass – wer sich ein Haus in der Toscana leistet – sich über solchen Schaden nicht weiter aufregen soll, schließlich trifft er einen wohl situierten Mann, der ein privilegiertes Leben mit einem Ferienhaus führt und es daher nicht nötig hat, fremder Menschen Häuser zu knacken, um Flohmarktware aufzutreiben.
1965 war ich 24 Jahre alt und las in der Zeitschrift twen, dass man in der Toscana für ein paar tausend Mark würdevolle Steinhäuser in schönster Landschaft kaufen könne. Das Haus, das meine Verlobte (eine Studentin der Kunstgeschichte und frühere Dolmetscherin, die italienisch sprach) und ich fanden, kostete genau eine Million Lire. Das waren nach damaligem Kurs 6400 Deutsche Mark, die wir irgendwie auftrieben. Mein Anteil kam – später mutete mich das magisch an – aus einem Erbe. Mein Grossvater hatte um 1900 einen kleinen Hof mit vier Kühen in Niederbayern von seinem Ersparten gekauft; als er 1960 starb, wurde dieser Hof verkauft. Da mein Vater gefallen war, bekamen wir Enkel jeweils einige tausend Mark, die ich jetzt dazu verwendete, ein verlassenes podere mit einst vier Kühen – davon, wie in Niederbayern, zwei Zugkühen – in der Toscana zu kaufen.
Es gab kein fließendes Wasser, keine Autostrasse, keine Elektrizität, aber einen wunderschönen Blick und dicke Natursteinmauern samt Plumpsklo mit einem Sitz aus Carrara-Marmor. Das Häusl in Deindorf hatte einen Sitz aus Fichtenholz; das Wasser dort kam von einem Pumpbrunnen. Mir sind diese Parallelen erst sehr viel später aufgefallen.
Wir waren die ersten Deutschen in Vicchio; heute ist die germanische Population hier so gross, dass eigene Kulturveranstaltungen für sie geplant und ich zu Lesungen eingeladen werde. Und wir sind die letzten, die keinen elektrischen Strom, kein fliessendes Wasser und keine Fahrstrasse haben.
Dafür können wir uns mit allen anderen über die Einbrecher austauschen. Die Opfer sind keineswegs nur die Fremden und die leerstehenden Häuser; es sind auch Einheimische. Eine deutsche Freundin, die einen Marchese geheiratet hat, vermietet die sorgfältig restaurierten Häuser der Halbpächter von einst an Touristen. Ihr eigenes Haus hat sie mit schönen alten Möbeln eingerichtet. Nach einem Ausflug fand sie es leergeräumt vor; die Einbrecher mussten mit einem Lastwagen vorgefahren sein.
Der alten Dame, die uns seinerzeit das lange leer stehende Haus in den Wäldern über Vicchio verkauft hatte, brach ein noch radikalerer Diebstahl das Herz. Ihr würde- und liebevoller Schäferhund war eines Morgens vergiftet, ihre Villa mit allen alten Bildern und Möbeln ausgeräumt, während sie und die Familie ihrer Bediensteten geschlafen hatten.
Bei einem Berliner, der das letzte Haus auf dem Weg zum Monte Verruca gekauft hatte, einem Amateur-Astronomen, der an Besuche Außerirdischer glaubte, drangen die Einbrecher im Winter über das Dach ein und raubten ein Linsensystem. Es war eigens für ein Fernrohr gefertigt, das sie nicht mitgenommen hatten.