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Lob der Gruppentherapie

Jede Übertragung, die ja nichts anderes ist als eine Belebung vergessener Gefühlsbindungen, Anziehungs-, aber auch Abstoßungsreaktionen, benötigt einen Anlass. In der Einzelanalyse ist die Kontrolle der Übertragungen optimal: der Analytiker bemüht sich um Neutralität, er sitzt unsichtbar, er verhält sich als „wohlgeschliffener Spiegel“ (Freud), in dem der Analysand erkennen kann, dass Angst, Hass oder Leidenschaft in seinen Einfällen zu ihm und seiner Geschichte gehören, dass sie nicht vom Analytiker kommen. Auf der anderen Seite sind die Auslöser der Überragungen minimal; es gibt wenig Anlass für sie, immer müssen Analytiker feststellen, dass Analysanden nichts übertragen, sie nicht mit Libido besetzen, durch mechanisches Assoziieren die Analyse entmachten.

Vor allem den psychosomatisch Kranken wird dieses Manöver unterstellt. Wer viel mit Psychoanalytikern spricht und angehende Analytiker supervidiert, begegnet oft den Klagen über den verschlossenen, desinteressierten Analysanden, der schweigt oder den Analytiker entwertet, weil dieser ihm so wenig Hilfreiches zu sagen weiß. Die Retourkutsche, dass dieses Hilfreiche sich erst aus dem vom Analysanden gelieferten Material aufbauen ließe, führt zu einer Pattsituation.

Analysen dauern lange, die übliche Zeit sind 300 Stunden. Solange der Leidensdruck hoch ist, hilft es dem Kranken, dass er die Aufmerksamkeit, die er empfängt, nicht teilen muss. Aber der Gesamtprozess lässt sich oft nicht abkürzen, Leerlauf ist fast unvermeidlich. Der Patient braucht den Analytiker noch und will in der Analyse bleiben; augenblicklich aber würde er lieber zuhören, als selbst etwas erzählen. Das immer nur Widerstand zu nennen, scheint mir primitiv. Es ist ein Problem des Modells der Langzeitanalyse, ein Schwachpunkt in ihrer Konstruktion.

Ich denke dann oft an meine Gruppen, in denen sich solche Probleme nicht stellen. Ich kenne keine langweiligen oder desinteressierten Gruppenpatienten, denen nichts einfällt. Wenn einer schweigen will, redet ein anderer für ihn. Freilich kommt es vor, dass ich jemand nicht überzeugen kann, eine Gruppe sei die beste Hilfe für ihn, oder dass ein Patient nach den ersten Begegnungen mit der Gruppe nicht mehr kommt. Das sind die Situationen, in denen ich die Gruppenarbeit als schwierig und belastend empfinde: wenn ich den Eindruck gewinne, nicht ausreichend von ihrem Wert überzeugen zu können.

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