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Wenn der Tagtraum zur Sucht wird

So gesehen haben es die modernen Computerspieler besser, die solche Tagträume virtuell unterstützt ausleben können. Ihre Tagtraumwelt geht nicht unter und taucht vielleicht später während einer Lehranalyse als bizarre Vergangenheit wieder auf. Sie bleibt bestehen, findet Zuspruch, wird durch raffinierte Animationen unterstützt.

Heute spielen Schüler, Studenten, selbst Dreissigjährige süchtig World of Warcraft im Internet. In extremen Fällen kommen sie in psychiatrische Behandlung und werden mühsam entwöhnt, nachdem sie ihre Eltern mit Selbstmorddrohungen daran gehindert haben, ihren DSL-Anschluss zu kappen. Sie ziehen eine weitläufige Phantasiewelt dem banalen Alltag vor, sind Helden oder Zauberer im Virtuellen und kämpfen zusammen mit anderen gegen imaginäre Feinde. Wer mag noch Vokabeln lernen, wenn es gilt einen Drachen zu reiten?

Ich weiss nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich – statt meine Heldenträume schamhaft zu verschweigen – sie leibhaftig sehen und mit Altersgenossen in Australien oder Kalifornien hätte teilen können.
Zu meinen Vorstellungen einer Überwindung solcher Grenzphänomene zwischen Kindheit und erwachsenem Leben gehört die Einsamkeit des Tagträumers. Er verlässt die Nähe zu den Eltern und taucht wieder auf, wenn seine Bindungen an das Leben und die Möglichkeiten der Erwachsenen stark genug geworden sind. Auf ein interaktives Angebot, in dieser Tagtraumwelt zu verweilen, sind Jugendliche so wenig vorbereitet wie ihre Eltern.

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