Alle Artikel mit dem Schlagwort: Partnerschaft

Feste Bindungen

Dieser Artikel, der im Abonennten-Magazin des Thalia Theaters erschien, ist ein heimlicher Werbetext für die feste Bindung an ein Theater, den ich in der Zuversicht schreibe, dass er zwei Aufgaben erfüllt: die Aufklärung über sein Thema und die PR für das Thalia. Als Therapeut weiß ich viel über die Schwäche unserer Vorsätze und die Weisheit, diese durch einen Vertrag zu ersetzen. Stimmung, Müdigkeit und schlechtes Wetter nagen an den besten Vorsätzen; der Vertrag hält Stand und befreit von jedes mal neuer Entscheidung. In einer globalisierten Konsumgesellschaft brauchen wir verlässliche Bindungen mehr als den Kick einer hastigen Optimierung, deren Schattenseiten sich [...]

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Da muss man durchgreifen!

Szene beim Ausflug mit dem Fahrrad: Eine kleine Steigung, zwei Frauen und eine Elfjährige mit Schutzhelmen kommen mir entgegen. Abgeschlagen hinter ihnen heulend, mit einem kleinen, vom Weinen geröteten Gesicht ein vielleicht Achtjähriger. Er schluchzt seinen Schmerz und seine Wut hinaus, dass die anderen nicht auf ihn warten und er nicht mithalten kann.
"Da muss man durchgreifen!" sagt ungerührt die eine Frau zur anderen. "Wenn der die Kraft zum Fahren nimmt, die er zum Weinen braucht, haben wir kein Problem mehr!" Wer gemütlich durch die Landschaft radelt, kann sich so seine Gedanken machen.

Schütt Hormone über mich…

Es ist eine fesselnde Frage, weshalb sich Menschen nicht zufrieden damit geben können, dass sie etwas erleben, sondern gerne wissen wollen, warum sie das tun. Eine erste Antwort fällt leicht: Die Suche nach einer Ursache erleichtert es uns in manchen Fällen, Abhilfe zu schaffen. Wer sich einen Dorn in den Fuß getreten hat, tut gut daran, herauszufinden, warum die Sohle plötzlich schmerzt; so kann er den lästigen Eindringling entfernen. In vielen Fällen aber läuft diese Warumfrage aber quasi hochtourig im Leerlauf.

Die Ängste der dritten Generation

Dieses Interview erschien 2010 in der Zeitschrift NEON; es basiert auf dem Buch „Ein Land – Drei Generationen. Psychogramm der Bundesrepublik“
Sie nennen die jungen Erwachsenen von heute »Generation Angst«. Was meinen Sie damit? Ich arbeite seit mehr als dreißig Jahren als Psychoanalytiker – und stelle fest, dass die Menschen in dieser Zeit sehr viel ängstlicher geworden sind. In früheren Therapiegruppen etwa waren die Leute viel unangepasster;...

Die Angst vor Nähe

Dieses Buch, das zuerst 1986 erschienen ist, das viele Auflagen und Bearbeitungen erlebt hat, beschäftigt sich mit dem Grenzgebiet von Gesellschaft und erotischer Intimität.

Nähe wird heute zunehmend als bedrohlich erlebt; Singles sind die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in den meisten modernen Ländern. Der Hintergrund sind unbewusste, unverarbeitete Wünsche nach extremer Nähe, nach Preisgabe aller Verantwortung durch die Verschmelzung mit einem Liebespartner. Bewusst wird dieser dann gemieden oder entwertet, um das eigene Ich, die eigene Autonomie nicht zu verlieren.

In dem Buch sind zahlreiche Fallbeispiele vor ihrem sozialen und familiengeschichtlichen Hintergrund analysiert; es werden auch Behandlungsmöglichkeiten (vor allem durch Gruppentherapie) [...]

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Die Illusionen über das Gegenüber und die virtuelle Welt

Erzwungene Beziehungen greifen um sich, vom Stalking zur Zwangsverpflichtung des widerspenstigen Vaters

Es ist nicht so, das Liebe manchmal Fehler macht, sondern die Liebe selbst ist ein Fehler. Wir verlieben uns, wenn unsere Phantasie auf eine andere Person die Perfektion projiziert, die sie nicht hat. Eines Tages verschwindet das phantastische Bild, und mit ihm stirbt die Liebe.

So melancholisch hat der 1883 geborene spanische Philosoph Ortega y Gasset in seinem Essay Über die Liebe die Bindung der höchsten Gefühle an die größten Illusionen kommentiert. Wer manche Verwirrungen der Gegenwart untersucht, kann ihm nur beipflichten. Der liebende Mensch ist [...]

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Du weisst doch genau…!

Es gibt Anekdoten, in denen auf dem Sterbebett das Geheimnis einer Zunft verraten wird, - etwa von jenem Fleischer, der seinem Arzt als Dank für dessen aufmerksame Betreuung das große Metzgergeheimnis ins Ohr flüstert: „Essen Sie niemals Wurst!“ Wenn es ein solches Geheimnis in der Paartherapie gäbe, würde der Satz lauten: „Glauben Sie niemals, dass es nur eine Liebe gibt!“

Stalking und andere Phantasiebeziehungen – Der Liebeswahn heute

ORLANDO:
Und das ist nun der Dank, grausame Angelica, für meine Liebe und meine Treue? Aber diese Flucht wird euch schlecht bekommen! Ihr werdet mir selbst in der Hölle nicht entgehen!
ZARATHUSTRA:
Der Verstand muss sich verwirren, er versinkt in tiefes Dunkel, lässt er sich von Liebe leiten.
(2. Akt, Szene 3 u.4)

Händels Oper Orlando ist ein früher Versuch, sich der Verwandlung von Liebe in Wahn, Wut und Hass zu bemächtigen. Händels Lösung, die aufgewühlten Emotionen nicht durch Gegenliebe, sondern durch Vernunft zu zähmen, kündigt die Aufklärung an. Gegenwärtig schwindet der Glaube an die Macht der Vernunft über die [...]

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Kleine Rechthabereikunde

Es gibt eine ganze Reihe von Beschäftigungen, deren Ansehen sehr viel geringer ist als ihre Beliebtheit: Pralinenessen, Seitensprünge, Komasaufen, Steuerschwindel, Blaumachen – und Rechthaben. „Reine Rechthaberei“, „Du willst immer nur rechthaben!“ „Dein sei das letzte Wort!“

Wer wie der Autor einen guten Teil seiner täglichen Arbeit mit Paaren verbringt, die ihre Liebesbeziehung als unbefriedigend und stressreich empfinden, hat auch täglich Anschauungsuntericht über Rechthaberei. Er bemerkt, dass die eigene Rechthaberei völlig unauffällig abläuft und gänzlich mit sich selbst einverstanden ist, bis sie mehr oder weniger schmerzhaft an die Rechthaberei des Partners stösst. Die eigene Rechthaberei ist eigentlich gar keine. Sie ist [...]

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