Kolumnen
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Raubritter und Piraten

Gegenwärtig scheinen sich wieder die Zeichen zu häufen, dass die Missachtung der geistigen Grundlagen des Rechtsstaats originell und fortschrittlich einmarschiert. Nehmen wir den anscheinend in aller Unschuld gewählten Begriff „Piratenpartei“! Wie ist es möglich geworden, den Freibeuter, den Gesetzlosen zum Markenzeichen zu idealisieren? Piraten sind Diebe, die Gewalt anwenden und sich auf ihren Schiffen ihre eigenen Gesetze geben. Die semantische Sensibilität wurde einer Pointe geopfert. Geschichtslosigkeit und Sprachverwirrung geben sich progressiv. Müssen wir uns etwa darauf einigen, dass Raub völlig in Ordnung ist, sobald die Räuber Zulauf haben und behaupten, sich an Regeln zu halten sei altmodisch?

Die Begegnung mit Gewalt in Partnerschaften hat mich oft belehrt, ein wie kostbares Gut ein Regelwerk ist, das Willkür einschränkt und Einzelne schützt. In Familien darf eben nicht alles verziehen werden, darf gerade nicht das übermächtige Bedürfnis oder das schlechte Vorbild als Ausrede durchgehen, Faustrecht oder blanke Erpressung zuzulassen.

Wie verworren hier argumentiert wird, zeigt ein weiteres Beispiel: im Juni-Heft der ADAC-Motorwelt stimmt ein Autor ein großes Lamento an über „blitzende Raubritter“. Er klagt über die Leiden der Kraftfahrer wie weiland ein Nürnberger Kaufmann über die Plünderung seiner Maultiere durch Eppelein von Gailingen. Räuber und Gesetzesbrecher sind für den ADAC-Autor jene geworden, die darauf achten, dass sich Autofahrer an Regeln halten. In der Tat verdienen manche Kommunen gut daran, dass so viele Fahrer ein Tempolimit ignorieren.

Wer eine Regel missachtet, fällt keinem Raubritter zum Opfer. Er muss zahlen, weil er im Unrecht ist. Wenn jetzt der mächtigste Interessenverband in Deutschland das Rechtsbewusstsein vernebelt und den Täter zum Opfer macht, finde ich das bedenklich. Die Raser von heute sind dem Raubritter von einst wahrhaftig näher als Behörden, welche ihre Verstöße aufdecken und bestrafen.

Gerecht angefühlt hat es sich schon für den Raubritter nicht, dass er sich mäßigen sollte, während andere in Saus und Braus lebten. Aber eben dieses gefühlte Empfinden, im Recht zu sein, ist des Rechtsbruchs erster Freund.

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