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Die verletzte Narzisse

Britney Spears aus der Sicht des Narzissmusforschers

Teenie-Star ist ein verächtliches Wort. Es sagt etwas über die Angst der Älteren. Teenie-Stars sind keine süssen Kinder, sondern hart arbeitende, zielbewusste Künstler, Jäger des Ruhms, die begriffen haben, wo sie den Weg zur Spitze suchen müssen. Der Mensch erreicht mit 14 Jahren den Höhepunkt seiner geistigen und physischen Leistungsfähigkeit. Niemals wieder wird er so schnell denken, unbekannte Probleme lösen, sich nach Verletzungen erholen können. Natürlich fehlt den jungen Frauen und Männern die Erfahrung. Aber was ist Erfahrung? Erfahrung mag ausnahmsweise auch einmal weise machen; die meisten Menschen engt sie ein.
In einer Zeit, in der andere die Pubertätspickel überschminken lernen und über den Notenschnitt im Abitur nachdenken, ist Britney Spears bereits ein Superstar: Sie hat mit 17 gleichzeitig Platz eins der Album- und Single-Charts belegt. Baby One More Time ist bis heute das meistverkaufte Debütalbum, das je in den USA erschien.
Oops! … I did it again, das zweite Album, verkaufte sich in der ersten Woche weltweit 3,8 Millionen Mal. Dies schaffte bis heute kein anderer Künstler.
Das ist dieselbe Britney Spears, die durchgeknallt, mit Drogen vollgepumpt, die verrücktesten Dinge anstellt: Sie heiratet und lässt nach 58 Stunden ihre Ehe anullieren; sie zeigt sich ohne Unterwäsche den Paperazzi, begeht Fahrerflucht nach einem Unfall, lässt sich alle Haare rasieren, um einem Drogentest vorzubeugen. Zur Zeit prozessiert sie um das Sorgerecht für ihre Kinder, das angesichts ihrer Unzuverlässigkeit ihrem Ex-Ehemann zugesprochen wurde.
Ein Rätsel?
Der Narzissmusforscher liebt es, solche Rätsel umzudrehen. Nicht zu fragen: wie werden aus braven Kindern Verbrecher? Sondern zu fragen: wie kommt es, dass sich der Zweijährige, der angesichts der kleinsten Versagung in Wut, Trotz und Rachsucht ausbricht, zu einem (einigermassen) disziplinierten Schulkind entwickelt?
Britney Spears ist ist das mittlere der drei Kinder von James P. Spears und Lynne Irene Bridges Spears. Eine solche Rolle zwingt schon früh in die Bemühung, sich zu beweisen. Der grosse Bruder hat seine Rolle, die kleine Schwester hat die ihre – die Mittlere muss sich eine Sonderrolle schaffen. Immer wieder beobachten wir, wie die mittlere Schwester von dreien aus der Rolle fällt, unangepasst ist, den Familienkonsens zertrümmert. Sie kämpft darum, aufzufallen. Britney Spears ist zweifellos hoch begabt, bildschön und von schneller Auffassungsgabe. Ihre Karriere ist hart erarbeitet. Wer sich über ihren Absturz erregt, sollte das Lichtenberg-Zitat bedenken: „Wer über bestimmten Dingen den Verstand nicht verliert, der hat keinen zu verlieren!“

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