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Berufsrollen unter Druck

Vortrag für die Tagung der Gefängnispsychologen in München
Sollbruchstellen und Stresszonen in Institutionen

Warum sind Erdbeben und Vulkanausbrüche nicht gleichmässig nach dem Zufallsprinzip über die Oberfläche des Planeten verteilt, sondern treten an bestimmten Punkten mit viel höherer Wahrscheinlichkeit auf als an anderen? Die Geologen erklären uns das damit, dass die Erdkuste nicht stabil und überall gleich dick ist, sondern sich aus verschiedenen Schollen zusammensetzt, die auf dem glutflüssigen  Erdinneren „treiben“ – freilich in der dem Geologen vertrauten minimalen Geschwindigkeit.

Dennoch gibt es hektische Ereignisse. Sie machen sich als Erd- oder Seebeben bemerkbar, wenn sich zwei dieser treibenden Schollen verhakt haben und nun plötzlich, mit einem Ruck, neu zueinander stellen. Dann schwankt die Erde, Häuser stürzen ein, Gasleitungen explodieren und Flutwellen verwüsten ganze Küstenlandschaften. Vulkane brechen aus, weil die Erdkruste an manchen Stellen dünner ist als an anderen und Lava aufsteigt. Dann entstehen die hot spots, heisse Zonen, in denen ein Lavaschlot wie ein Schweissbrenner die Erdkruste aufschneiden und beispielsweise neue Inselne schaffen kann. So erklärt man sich das Entstehen von Madeira, der Kanaren und Azoren im Atlantik, von Hawai und seinen Schwesterinseln im Pazifik. Erdbeben und Vulkanausbrüche treten oft verschwistert auf. Sie kündigen sich gegenseitig an. Wo viele Vulkane aktiv sind, gibt es in der Regel auch Erdbeben, wo Erdbeben häufig sind, müssen wir nach aktiven Vulkanen meist nicht weit suchen.

Wenn wir nun Institutionen betrachten, jene vom Menschen geschaffenen, relativ beständigen Gebilde, dann können wir in ähnlicher Weise feststellen, dass Konflikte, Reibungen, größere und kleinere menschliche Katastrophen nicht zufällig verteilt sind, sondern in ganz bestimmten Zonen besonders häufig und verheerend ausbrechen.

Wir können den Gedanken von Harald Pühl  hinzuziehen, dass Institutionen von Menschen geschaffen werden, um Ängste in Schach zu halten, und ihn erweitern: nicht nur Ängste, sondern Affekte ganz allgemein, wobei freilich die Angst deshalb eine besondere Rolle spielt, weil sie im erlebenden Ich immer dann auftritt, wenn dieses „fürchtet“, von einem starken Gefühl überwältigt zu werden.

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