Kolumnen
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Alte Hosen und leere Marmeladengläser

Von Pablo Picasso wird erzählt, dass er auch kleine Rechnungen – etwa in einem Restaurant – mit Scheck bezahlte. Er rechnete damit, dass die Bedienungen den Scheck nicht einlösen würden, eine signierte Grafik von Picasso! So zahlte er, ohne zu zahlen. Man hatte ihm ein Essen geschenkt!

Es gibt noch eine zweite Geschichte dazu: Als eines Tages seine junge Geliebte Francoise Gilot zwei uralte, ewige Zeiten nicht mehr getragene Hosen des Künstlers wegwarf, kam dieser spätabends strahlend nach Hause: „Stell dir vor, ich habe zwei gute Hosen in der Mülltonne gefunden, was die Leute alles wegwerfen!“. Er hatte sie nicht wieder erkannt, aber er war glücklich, weil er etwas gefunden hatte, herrenloses Gut, wie Pilze im Wald oder Muscheln am Strand. Die Geschichte verrät, dass Picasso nie die Lust des armen Kindes verloren hatte, in Mülltonnen zu spähen.

Es gibt Menschen, die das tun, andere, die es verabscheuen. Die Geste verrät etwas darüber, ob die Betroffenen schon ganz in der Konsumgesellschaft angekommen sind oder ihr noch widerstehen. Wer sich für das  interessiert, was andere wegwerfen, tut sich selbst schwer, etwas wegzuwerfen. Das hängt mit einer Hierarchie der Dinge zusammen, die man zu benötigen glaubt, und mit dem Bedürfnis nach Sicherheit. Wenn ich einmal nach einem leeren Deckelglas gesucht habe, während die Marmelade schon im Topf brodelte, bin ich auf dem Weg dazu, kein leeres Glas mehr wegzuwerfen, auch wenn die Marmeladevorräte von 2008 nur die von 2007 und 2006 auf die hinteren Plätze im Schrank drücken. Das endet dann bei dem Schock der Erben, die beim Entrümpeln der Wohnung ihrer Großmutter mehrere Schränke voller leerer Marmeladegläser finden, alle sorgfältig gespült, man weiß ja nie!

Solche Verhaltensweisen nehmen im Krieg zu. Vor allem Kinder und Jugendliche reagieren tief und irrational auf das Erleben, dass zu wenig von etwas Wichtigem da ist. Erwachsen geworden, können sie sich in der Vorratshaltung gar nicht genug tun. Picasso ist ein Beispiel dafür; er hat die Armut genug gekostet, um sie nie zu vergessen; er erinnerte sich daran, wie wichtig eine heile Hose sein kann, wenn die einzige, die ich habe, zerreißt. Dieses Verhalten wird manchmal mit Geiz verknüpft: wer sich aus der Atlkleidersammlung ausstattet und seine Möbel vom Sperrmüll holt, ist zu geizig, sich das bessere Neue zu gönnen, in den Laden zu gehen und es zu kaufen.

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