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Grossvater war im Krieg

In den Nachkriegsehen wird die Vaterdeprivation des Mädchens nicht selten durch Partnerkonflikte vertieft. Hier unterscheiden sich Paare, die gemeinsam den traumatischen Untergang der nationalsozialistischen Größenphantasie verarbeiten, von anderen, die unter diesem Druck zufallen, sich gegenseitig anklagen und Bündnisse zu den Kindern suchen. Die Mütter können mit der einfühlungsarmen, vergröberten Triebhaftigkeit der Männer nicht umgehen und suchen Halt an ihren Kindern. Die Väter können keine enge, durch Einfühlung bestimmte Beziehung zu der im Notmatriarchat entstandenen Mutter-Kinder-Familie aufbauen.

So greifen sie auf einen primitiven, in (militärischen) Männerbünden beliebten Mechanismus der Selbstbestätigung zurück: Sexualisierung des Nichtsexuellen als Dauer-Potenzbeweis. Sie reißen Zoten, um den Mangel an Selbstachtung auszugleichen. Sie entwerten die Erotik, die so aller Nähe zu Geheimnis und Lust beraubt wird.
Die psychische Folge des Notmatriarchats scheint in erster Linie ein Verlust an Unbekümmertheit zu sein. Die Kinder der traumatisierten Eltern sind die deutschen Leser, welche Dale Carnegies Buch mit dem Titel Sorge dich nicht, lebe! zum Bestseller gemacht haben. Leben ist Überleben. Überleben heisst, sich Sorgen zu machen, wie es weitergehen wird.

Die in diesem Notmatriarchat heranwachsenden Söhne und Töchter wittern überall Gefahren. Sie können angesichts einer wesentlichen Entscheidung keine optimistische Phantasie entwickeln. Sie verfallen in einen Grübelzwang. Ein solcher Patient verlor jedes sexuelle Interesse, als seine Frau sich ein Kind wünschte. Bewusst wollte auch er eine Familie gründen. Er kämpfte mit der Phantasie, dass dieses Kind alle körperlichen Mängel aufweisen würde, die er und seine Frau hatten oder auch nur haben könnten. Obwohl er gut verdiente, fürchtete er zu verarmen. Er wolle in Sexualabstinenz durch angestrengte Bemühung alle seine Sorgen bezwingen, damit er schließlich angstfrei die Schwangerschaft riskieren könne. Dabei müsse ihm der Therapeut helfen.

Eine 45jährige Patientin, Tochter einer Kriegerwitwe, klagte über ständige Empfindungen, ausgenützt zu werden und sich nicht gegen ihre Kolleginnen und Verwandten durchsetzen zu können. Dahinter stand ein unbewusster Neid auf alle Personen, die unbekümmert mit ihren Wünschen und Pflichten umgingen. Sie musste die Krankenstation, auf der sie arbeitete, perfekt hinterlassen, auch wenn sie dazu eigentlich keine Zeit mehr hatte. Sie fühlte sich von ihren Kolleginnen ausgenützt, die es nicht so genau nahmen.

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