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Helfersyndrom reloaded

Das Stadtpferd war ein braves, williges Tier; es hatte nur einen Fehler, den ihm die Schildbürger schonend abgewöhnen wollten: Es brauchte Hafer. So verminderten sie seine Ration Halm für Halm. Nachdem sie sich herzlich über das haferfrei arbeitende Tier gefreut hatten, lag es bald danach tot im Stall. Ähnlich werden Helfer von Idealen nicht satt, so wichtig sie sein mögen. Sobald zuviel an ihren Idealismus appelliert wird und Einzelne oder Interessengruppen versuchen, hehre Worte und Ziele als Ersatz für Kommunikation, Einfühlung und sozialen Austausch einzusetzen, können ethische Haltungen unglaublich schnell erodieren.

In Deutschland haben wir wenig Grund, uns über Karadzic zu erheben. Lehrer und Ärzte waren die eifrigsten Parteigänger Hitlers. Der hippokratische Eid wurde subjektiv nicht zurückgenommen, sondern nur als Weg verfälscht, den hochwertigen Rassen auf Kosten der minderwertigen zu helfen. Die grausamen Menschenexperimente in den Konzentrationslagern sollten nicht vergessen werden, so wenig wie das von einem deutschen Nervenarzt geprägte Wort vom lebensunwerten Leben.
Ist es denunziatorisch, die hehren Ideale der Nächstenliebe und der Opferbereitschaft nicht für reines Gold, sondern für komplexe Legierungen zu halten, die nur unter günstigen Bedingungen ihren Glanz behalten? Ich würde sagen, es ist realistisch und dient den Interessen aller Beteiligten.

Professionelle Helfer müssen wirtschaftliche Interessen, persönliche Werte und gesellschaftliche Legitimation integrieren. Die Analyse der narzisstischen Befriedigungen im helfenden Beruf kann die Praktiker dabei unterstützen, sich weder durch idealisierende Rhetorik manipulieren zu lassen, noch über der Vertretung wirtschaftlicher Interessen zu vergessen, dass es in ihrer Arbeit um etwas anderes geht als um Gewinnmaximierung.

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