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Bond auf der Couch

In der Hysterie orientieren sich die Mann-Frau-Beziehungen nur scheinbar an der Sexualität. Sie ist nicht der Inhalt, sondern nur die Verpackung. Das Selbstgefühl ist nicht stabil genug, um den Verlust an Fassade zuzulassen, der einen genußvollen Vollzug des eigenen erotischen Potentials begleitet. Man muß nur die Bekanntschaftsanzeigen einer der anspruchsvolleren Tages- und Wochenzeitungen lesen, um sich darüber zu wundern, weshalb die dort aufgebauten Fassaden derart wenig umschwärmt sind, daß sie jetzt mangels anderer Gelegenheiten einen Weg beschreiten, der „nicht mehr ungewöhnlich“ genannt wird. So ist die Sprache der Hysterie: großspurig und ängstlich zugleich.

Freud ging davon aus, daß die Sexualität ein natürliches Phänomen ist, ein Trieb, der den Menschen ebenso bewegt wie die Tiere, den es nicht zu verdammen, sondern zu zähmen gilt. Kennzeichnend für die hysterische Störung ist die gleichzeitige Über- und Unterschätzung der Sexualität. Immer wieder ist der Hysteriker überrascht, daß es Sexualität im Leben gibt, – und immer wieder überrascht er andere dadurch, daß er dort von Sexualität redet, an sie denkt, sie praktiziert, wo es nicht angemessen erscheint.

Normale Menschen müssen seelische Traumen verarbeiten, ehe sie erotisch wieder empfindungsfähig werden. Wenn James Bond sein Girl in die Arme nimmt, nachdem er ein paar Dutzend Menschen getötet und selbst mehrmals um Haaresbreite am Tod vorbeigeschlittert ist, dann funktioniert seine Sexualität wie eine Waffe.

Die Frau, welche Sexualität „unwichtig“ findet, die „noch nie daran gedacht hat“, paßt in der Welt der Hysterie zu dem Mann, dem jeder zweite Satz zur Zote gerät und der felsenfest überzeugt ist, sein Phallus sei etwas, das jede Frau ungeheuer beeindrucken werde. Immer geht es um Veräußerlichungsversuche, wobei die Frau ihre sexuelle Aktivität nach außen verlagert, der Mann aber seine Angst vor Verletzlichkeit. Daraus lassen sich spezifische Grundängste ableiten, die Männer und Frauen unterscheiden. Bei den Männern ist die Kastrationsangst schon lange in diesem Sinn beschrieben; bei Frauen dürfte es sich um die Angst vor männlicher Gewalt, spezifischer: um Vergewaltigungsangst handeln.

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