Kolumnen
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Die Helferdiskussion

Beobachtungen eines Referenten

Der grosse Saal des Ärztehauses in Freiburg war überfüllt. Zu einer gemeinsamen Fortbildung über das Thema „Hilfe für Helfer“ waren viele Ärzte und Psychotherapeuten erschienen. Sie hörten aufmerksam den Ausführungen des Referenten über die Hintergründe von Helfer-Hilflosigkeit, Helfer-Syndrom, Burnout und professioneller Entwicklung zu. Die Diskussion verlief zunächst etwas schleppend. Dann stand ein Arzt auf und fragte, wie sich der Referent das vorstelle: neben fünfzig, ja sechzig Stunden Praxisarbeit jede Woche auch noch eine Intervision, eine Balintgruppe, berufspolitisches Engagement und ein befriedigendes Privatleben zu haben, was der Referent doch alles als Hilfswege vorgeschlagen habe.

Dann meldete sich eine Frau und sagte, sie sei enttäuscht. Was gesagt worden sei, das sei doch eine wissenschaftliche Zusammenfassung gewesen, etwas, das man sich auch aus Büchern zusammensuchen und zusammenlesen könne, da hätte sie mehr erwartet, etwas ganz Persönliches. Sie selbst habe – und man werde jetzt vielleicht lachen, das sei ihr aber ganz gleichgültig – sie habe einen eigenen Engel, den habe sie entdeckt, der stehe ihr bei, und schütze sie vor den Gefahren der Arbeitsüberlastung. Einen solchen Engel brauche jeder Helfer und den Hinweis darauf habe sie vermisst. „Ich muss gestehen, dass ich mich schlecht als Engel eigne“, sagte der Referent. Einige lachten.

„Seelische Hygiene für Helfer ist ganz einfach“, sagte eine junge Ärztin. „Ich sage nur: arbeiten Sie so wenig wie möglich!“ Viele klatschten Beifall und lachten. „Ich habe mich kaputtgearbeitet. Seit ich nur noch zwei Tage die Woche arbeite, geht es mir gut. Ich finde die Arbeitsbedingungen in den Kliniken unzumutbar. Ich habe vermisst, dass der Referent das festgestellt hat. Wenn ich das sage, hört es ohnehin niemand. Aber wenn es ein so prominenter Mann sagt!“

„Wenn ich auf mich selbst achte“, sagte ein Mann, „ich bin praktischer Arzt, und wenn ich das tue, dann kann ich viele Dinge nicht mehr tun, die doch auch wichtig sind – beispielsweise Gespräche führen, mich dafür einsetzen, dass ein Raucher endlich aufhört. Ich stimme dem Kollegen zu: wir haben soviel zu tun, und soviel bleibt immer unerledigt liegen, dass wir uns nicht um unsere Psychohygiene oder um unsere professionelle Entwicklung kümmern können, die ein Schutz vor Burnout sein soll.“

„Ich habe den Eindruck, dass noch nicht klar geworden ist, was professionelle Entwicklung heisst“, sagte der Referent. „Es bedeutet doch nicht, alles zu tun, sich immer zu steigern, auch Dinge zu leisten, die – wie die Entwöhnung von Rauchern – im Rahmen einer Allgemeinpraxis gar nicht gut geleistet werden können. Professionelle Entwicklung bedeutet, mit einem möglichst sparsamen Umgang mit Energie möglichst viel zu leisten. Und hier, denke ich, kann man immer dazulernen und sich verbessern – mit weniger Einsatz mehr zu erreichen.“

„Der Umgang mit Energie ist sehr wichtig. Ich habe meinén Burnout hinter mir“, sagte eine blonde Frau mit kurzen Haaren in einem Dirndelkleid. „Ich habe bis zur Erschöpfung gearbeitet und hatte ein Herzversagen. Damals habe ich meine esoterische Phase verlassen und bin in die spirituelle eingetreten. Seither gibt es für mich keinen Burnout mehr. Ich regeneriere mich, während ich arbeite, ich könnte tagelang arbeiten und wäre doch nie erschöpft, weil ich parallel dazu atme und den Geist öffne und meditiere, so dass ich mich gleichzeitig mit dem Arbeiten erhole. Das kann jeder lernen, der sich auf diese Dimension einlässt.“ Sie sprach artikuliert und sehr sicher. In den hinteren Reihen klatschten die Ärzte.

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