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Verkehrsunfall im Jemen

Mohammed Abdullah

Für den Reisenden im Jemen ist der arabische Fahrer Vater und Mutter. Die Kunst der Auswahl dieser Fahrer ist die Kunst, ein Reiseunternehmen zum Erfolg zu führen. Auf drei Reisen durch den Jemen habe ich fünf Fahrer kennengelernt. Eigentlich habe ich auch jeden von ihnen liebgewonnen, jeden auf eine andere Weise: Den würdevollen, frommen und weisen Achmed Chami, der in Aden, wo er sein Englisch in der Armee des damals noch britisch regierten Süden erlernt hatte, ein Fischrestaurant für uns fand, für jeden ein riesiger Barsch auf Zeitungspapier, im Gasgrill köstlich auf den Punkt gegart. Den nach einer Gesichtsverletzung recht räubermässig blickenden Beduinen Said aus Marib, der mich durch die Wüste fuhr und mit dem ich mich in der Zeichensprache über die Zahl unserer Kinder und die fotografisch interessanten Aspekte der Landschaft unterhielt. Saleh, schmal und zäh, der den schweren Landcruiser wie eine Feder bewegte und keine der tückischen Schwellen übersah, mit denen die Beduinen Geschwindigkeitsbeschränkungen verordnen. Er hatte zwei Frauen, die sich ständig stritten. Achmed Selim, ein bildschöner, schlanker junger Mann, der sehr unter seiner Scheidung von Frau und Kind litt und schwor, er würde uns mit Einsatz seines Lebens beschützen. Am Nachmittag hätte ich es freilich lieber nicht darauf ankommen lassen, denn da sass er einmal wieder mit dicker Kath-Backe friedlich bei den anderen Jemeniten und liess uns, weil wir nicht mitmachen wollten, alleine spazieren gehen – mitten in eine Schiesserei zwischen zwei Dörfern. Aber das ist eine andere Geschichte, und der Ausgang erwies sich als harmlos.
Und jetzt Mohammed Abdullah. Er holte uns am Flughafen ab und hatte gleich ein Problem zu lösen. Unsere vielgereisten, orientbegeisterten Freunde U. und R., denen die jemenitische Botschaft in Berlin ein Visum erteilt hatte, bekamen ihre Pässe nach der Kontrolle nicht zurück.
Der Ankunftssaal leerte sich, das Gepäck war da, die Pässe blieben verweigert, obwohl U., die sprachenkundigste von uns, den Beamten in allen ihr zugänglichen Zungen um sie bat und – wenn es schon keine Pässe geben sollte – doch wenigstens um eine Begründung für die Verweigerung unseres Eigentums ersuchte.
Schliesslich forderte mich ein Grenzbeamter auf, den Fahrer herbeizuholen.
Ich erkannte ihn in der Menge vor der Zollschranke am Schild des Reisebüros. Er war ein kräftiger Mann in europäischer Kleidung mit sorgfältig gebügelter Hose. Ich winkte ihn heran und erklärte ihm die Sache. Er begann, mit der Grenzpolizei zu diskutieren und setzte nach einigem Hin und Her durch, dass unsere Freunde ihre Pässe und endlich auch die Erklärung dazu erhielten. Sie waren vor einem Jahr in den Iran gereist. Der Sichtvermerk stand in ihren Pässen. Der Iran grenzt an Afghanistan. Es gab eine Vorschrift. Es sollte verhindert werden, dass sich verkappte Taliban in den Jemen einschlichen. So musste für jeden, der ein persisches Visum hatte, ein Jemenit bürgen.
Ich wusste von Mohammed Abdullah, dass er als Polizist arbeitete und sich als Fahrer etwas hinzuverdiente. Sein Englisch war viel schlechter als das von Achmed Chami, der Zeitungen lesen konnte, aber er war ein sehr aufmerksamer Begleiter und engagierte sich für seine Gäste, dolmetschte in einem Silberladen, wartete geduldig, als es bei einem Besuch in Sana’a spät wurde, schrieb alle Ortsangaben und Kilometerzahlen in einen Block, wenn er eine Strecke noch nicht kannte, denn im Jemen gibt es keine genauen Karten zu kaufen.
Er fuhr schnell und in gewisser Weise herrisch, drängte Langsamere an den Rand, ging aber keine auffälligen Risiken ein. Seine Stärke zeigte sich in schwerem Gelände an unserem dritten Reisetag.

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