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Burnout in der Psychotherapie

Beitrag zu dem von Otto Kernberg u.a. herausgegebenem Band "Wir Psychotherapeuten", Stuttgart 2004

Die Therapeuten sind von allen helfenden Berufen vielleicht am weitesten in eine Entwicklungsrichtung gegangen sind, die ich als „Beziehungshelfer“ von den traditionellen „normativen Helfern“ abgegrenzt habe (Schmidbauer 1983). Der Beziehungshelfer arbeitet darauf hin, eine enge, emotionale Beziehung zu seinen Klienten oder Patienten herzustellen. Sein Ideal ist eine Elternfigur, die in ihrer Praxis Elemente der Wissenschaft mit solchen der Kunst verbindet, die Regeln nicht schematisch ausfüllt, sondern kreativ transzendiert. Der Schatten, den dieses Ideal wirft, ist der Scharlatan, der weder wissenschaftlich noch künstlerisch fundiert ist, sondern nur andere glauben machen kann, er sei es, und sie für kurze Zeit durch solche vorgespiegelte Goldmacherei bezaubert.
Die Rolle des Beziehungshelfers wurde in den „Studien über Hysterie“ formuliert, die kurz vor 1900 erschienen. Hier stellt Freud fest, einen organisch Kranken könne er behandeln, auch wenn er sich nicht für die Persönlichkeit des Patienten interessiere, ihn abstoßend oder langweilig finde; die auf einer Erforschung des Unbewußten beruhende psychoanalytische Behandlung sei jedoch nur möglich, wenn eine spezifische Beziehung hergestellt werden könne. Seit diesen Anfängen hat sich ein großes Spektrum verschiedener Therapiemethoden entwickelt, die mehr oder weniger stark diesen Beziehungsaspekt betonen; es gibt inzwischen auch viele Forschungsdaten, die nahelegen, die tragfähige, positive Gefühlsbeziehung zwischen Helfer und Hilfsbedürftigem bei den seelischen Störungen als wesentliches, oft ausschlaggebendes Moment des Heilerfolges anzusehen (Strupp 1962).
Ich will im folgenden einige allgemeine Entwicklungslinien der professionellen Kompetenz von Therapeuten aufzeigen und dann, anhand einer Untersuchung typischer Interaktionsformen von Beruf und Privatleben bei Beziehungshelfern, spezifischere Burnoutrisiken ansprechen.
Zu Beginn seiner beruflichen Entwicklung steht bei einem Therapeuten die Auseinandersetzung mit den während der Ausbildung erworbenen Idealvorstellungen im Vordergrund. Diese führen dazu, daß er versucht, sich einer strengen Disziplin zu unterwerfen und immer dann, wenn er sich dem Klienten gegenüber verhält, zu überlegen, ob dieses Verhalten nun seiner beruflichen Aufgabe entspricht oder nur persönlich, privat und daher der Situation nicht angemessen ist. Vor allem plagt ihn die Furcht, nicht genügend ernst genommen zu werden.
Sie hängt damit zusammen, daß das unbewußte Ur- und Vorbild des Helfers die ideale Elterngestalt ist, und daß der Helfer umsomehr Respekt und Beachtung von Seiten seiner Klienten benötigt, je unsicherer er in seiner Identität ist. Das heißt auch, daß sich gerade ein Anfänger leicht angegriffen fühlt und die Strebungen seiner Klienten, mit ihm zusammenzuarbeiten, unterschätzt. Er betrachtet einerseits mißtrauisch ihr Verhalten und ist z.B. als angehender Psychoanalytiker schnell davon überzeugt, daß sein Patient einen Widerstand oder eine negative Übertragung hat. Andrerseits ist er gerade aus diesem Grund auch sehr empfänglich für pseudomotivierte Patienten. Beispiele dafür finden sich oft unter Drogen- oder Therapiesüchtigen. Sie wollen unbedingt sofort eine Behandlung beginnen und erzählen faszinierende Schauergeschichten über andere Therapeuten, deren krasse Fehler dem Anfänger Mut machen. Sie werden ihm sicher nicht zustoßen.

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