Aufsaetze
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Der Bombenbastler

Er war acht Jahre und ging in die zweite Klasse. Am Nachmittag nahm ihn die Mutter mit zum Einkaufen nach Berching in den Supermarkt. Sie setzte ihn auf den Rücksitz und schnallte ihn an. Dann fuhr sie los. Die Ampel an der Ausfahrt war grün. Sie gab Gas. Plötzlich wurde alles wild und laut und er sah wie sich die Kühlerhaube aufwölbte. Es war ein schneidender Lärm, ein Kreischen von Metall, ein dumpfes Dröhnen und ein Splittern von Glas, der Gurt schnitt ihn schmerzhaft in die Hüften. Seine Ohren dröhnten, als sei sein Kopf eine Glocke. Er war benommen. Er wollte aussteigen und kam nicht frei, er hatte vergessen, dass ihn der Gurt festhielt. Er schrie, die Mutter solle ihm helfen, solle erklären, was da gewesen sei, was so schrecklich gekracht und ihm weh getan habe.
Draussen sammelten sich Gesichter, das Auto wackelte, weil jemand eine Tür aufreissen wollte, die klemmte. Jetzt bekam er Angst und fing an, laut zu schreien. Die Mutter blieb stumm, und er hätte sie in den Rücken geboxt, wenn er nur losgekommen wäre. Er schrie und schrie und nichts geschah. Dann wurde er ganz still und tat gar nichts mehr, bis jemand in einer Feuerwehruniform ihn aus dem Auto holte. Die Mutter sass immer noch stumm hinter dem Lenkrad, aber ihr Gesicht war voller Blut. „Wir bringen sie ins Krankenhaus!“ „Wem gehörst du denn?“ Er sagte gar nichts. Sie hatten die Adresse in der Handtasche der Mutter gefunden und brachten ihn nach Hause.
Dort wartete die Tante. Der Vater war nicht da, sie hatten ihn mitgenommen, Als er am nächsten Morgen aus der Schule heimkam, kam ihm der Vater entgegen. Er mochte den Vater nicht. Er war fremd und hatte harte Hände. Er fuhr weg, auf Montage. Die Mutter war nicht da. Sie war im Krankenhaus. Sie kam nicht wieder. Wir müssen uns behelfen, Alois, sagte der Vater finster. Die Tante wird kommen und aufräumen. Wir werden kochen, so gut wir können. Das Vieh muss aus dem Stall, ich kann nicht jeden Tag melken.
Es wurde sehr still in dem Haus, vor allem im Winter, wenn schon um vier Uhr düstere Wolken über dem Wald hingen, der hier immer irgendwo am Horizont wartete. Die Tante schaute jeden zweiten Tag vorbei und brachte manchmal einen Topf mit Braten und Kartoffeln oder eine Schüssel mit Rohrnudeln. Brot und Butter und Selchfleisch gab es genug. Es geht uns doch gut, sagten die alten Leute, wir haben mehr als wir essen können, das war nicht immer so.
Er wartete auf den Schulbus, immer viel zu früh an dem Glashäuschen. Er war der einzige aus den 14 Häusern von Schmellnricht, aber in dem Bus sassen andere. Alois redete kaum mit ihnen. Sie hatten meist schon ein Gespräch angefangen und kümmerten sich nicht um ihn. In der Schule war es hell und ruhig und warm. Er bemühte sich, genauso schön zu schreiben wie die Lehrerin. Sie fragte ihn manchmal, warum er so still sei. Da wurde er noch stiller und sie sagte einmal, gell, die Mutter fehlt dir, aber da schüttelte er den Kopf, er wusste es wirklich nicht.
Der Vater ging jeden dritten Tag mit dem Schubkarren zum Nachbarn, der Bier und Limonade verkaufte. Er nahm zwei leere Träger mit und kam mit zwei vollen zurück. Alois kaufte sich Kopfhörer, weil er es nicht hören konnte, wenn der Vater vor dem Fernseher einschlief und schnarchte.

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