Artikel
Kommentare 1

Sexuelle Gewalt und männlicher Narzissmus

Nicht nur unter Migranten drohen Entgleisungen, wenn sich Männer als Verlierer im sozialen Fortschritt erleben

Männer sind die Verlierer in einer Arbeitswelt, in der Fleiß und Disziplin bei beiden Geschlechtern gleich gefördert und gefordert werden. Es erweist sich unter diesen Bedingungen, dass sie sich im Durchschnitt schlechter konzentrieren können und schneller aufgeben. Das eigentliche Problem scheint die Überzeugung der Männer, sie müssten sich nicht anstrengen, um Erfolge zu haben, weil sie ohnehin von Geburt an bevorzugt sind, weil sie, wie es Schiller sagt, zu Gottes Ebenbild den Stempel jederzeit zeigen können.

Aber wer will ihn noch sehen?
Das männliche Selbstgefühl ist empfindlicher und labiler als das weibliche. Das kleine Mädchen gewinnt in den meisten Fällen schon früh einen stabilen Kern, weil es sich mit der Person identifizieren kann, die in aller Regel die erste im menschlichen Leben ist: mit der Mutter.

Der kleine Junge identifiziert sich ebenfalls mit der Mutter, doch muss er diese Identifizierung auch wieder aus sich vertreiben, sie in sich bekämpfen, sie in eine Desidentifizierung überführen. Daher ist sein Selbstgefühl weniger belastbar. Frauen sind besser gerüstet, aus einer unterlegenen Position das beste zu machen. Männer brauchen schnelle äußere Erfolge und haben größere Mühe, Kränkungen ohne den Rückgriff auf primitive Reaktionen wie totalen Rückzug oder wütenden Angriff zu bewältigen.

Die sexualisierte Gewalt, die von Gruppen junger Männer ausgeht, erfüllt mehrere Funktionen. Sie entlastet das Selbstgefühl, indem sie eine Dominanz über Frauen bestätigt, die in der geordneten sozialen Realität nicht mehr funktioniert. Die Männer müssen sich nicht mit der gesellschaftlichen Realität auseinandersetzen, sondern können schnell und mühelos ihr phallisches Selbstgefühl auf Kosten weiblicher Opfer zurückerobern.

Wer sich ritterlich, einfühlend oder beschützend einer Frau zuwendet, würde aus diesem aggressiven Männerbund ausgestoßen. Nun können sie die Angst, aus der Männergruppe herauszufallen, durch Frauenverachtung kompensieren, welche die Rivalität in der Gruppe kanalisiert.

Die Angst vor Frauen, die ihre Rechte wahrnehmen und sich in einer Welt differenzierter Berufe besser zurechtfinden plagt Männer überall dort, wo sie sich einer unsicheren Zukunft gegenüber sehen – und das ist in den meisten Schwellenländern der Fall. Daher wollen die Taliban in Afghanistan, der islamische Staat in Syrien und die Anhänger von Boko Haram in Nigeria die Schulbildung für Mädchen wieder abschaffen. Das gleicht dem Versuch, Fieber zu heilen, indem man das Thermometer zerbricht.

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert