Kolumnen
Kommentare 3

Der (einst) geliebte Mörder

Am 10.Juli 2013 bewaffnete sich ein 38jähriger Streifenpolizist in einem Münchner Vorort mit seiner Dienstwaffe und einem Revolver. Er fuhr zur Arbeitsstelle seiner Lebensgefährtin, die sich vor kurzem von ihm getrennt hatte; die fünfjährige Tochter des Paars war um diese Zeit bei seinen Großeltern untergebracht. Die Eltern waren sich über das Sorgerecht nicht einig geworden. Der Vater holte die Mutter aus ihrem Betrieb, um mit ihr über das Kind zu reden. Nach einem kurzen Gespräch richtete er seine Dienstwaffe auf sie und schoss das ganze Magazin leer. Sie war sofort tot. Der Täter stieg in sein Auto und erschoss sich dort mit dem Revolver.

In einer Pressekonferenz erklärte der Polizeipräsident von München, Hubertus Andrä, der Täter sei ein mustergültiger Streifenpolizist gewesen, wegen seiner freundlichen, ruhigen Art sehr beliebt und vor der Beziehungskrise gerade damit beschäftigt, ein Fachstudium für die Übernahme in den gehobenen Dienst anzutreten. Die Kollegen seien bestürzt, dass die Tat trotz aller Hilfsangebote und Gespräche nicht abzuwenden gewesen sei. Ein Abschiedbrief fand sich nicht. Der Grund für die Tat, sagte der Polizeipräsident, bleibt uns vermutlich für immer verschlossen.

Derlei zugleich beschönigende und distanzierende Rhetorik ist uns vertraut; Bill Clinton sagte nach dem Massaker an der Columbine High School fast dasselbe. Solche Aussagen stehen für die kulturelle Verleugnung, welche die Gefahren der Symbiose und der narzisstischen Kränkung umgibt. Wer kann uns mehr kränken als ein Partner, von dem wir Liebe erwartet haben und der sich jetzt abweisend verhält? In Wahrheit können sich die meisten Menschen, die sich aggressive Phantasien nicht verbieten, an Todeswünsche gegen kränkende Personen erinnern.

„Ich habe die friedlichste Gesinnung. Meine Wünsche sind: eine bescheidene Hütte, ein Strohdach, aber ein gutes Bett, gutes Essen, Milch und Butter, sehr frisch, vor dem Fenster Blumen, vor der Tür einige schöne Bäume, und wenn der liebe Gott mich ganz glücklich machen will, läßt er mich die Freude erleben, daß an diesen Bäumen etwas sechs bis sieben meiner Feinde aufgehängt werden. Mit gerührtem Herzen werde ich ihnen vor ihrem Tode alle Unbill verzeihen, die sie mir im Leben zugefügt – ja man muß seinen Feinden verzeihen, aber nicht früher, als bis sie gehenkt werden.“(H.Heine, Gedanken und Einfälle)
Polizisten fühlen sich als Vertreter von Recht und Ordnung. Sie tragen eine Waffe, um sich selbst zu schützen und das durchzusetzen, was sie für richtig halten. Dass eine solche Mischung angesichts eines von rechthaberischen Auseinandersetzungen geprägten, bereits die Alltagstauglichkeit beschädigenden Symbiosekrieges höchst gefährlich ist, wird leider oft erst im Nachhinein klar. Das freundliche und ruhige Wesen eines Menschen ist stets an günstige Bedingungen geknüpft; so lange er sich respektiert fühlte, war dieser Täter vermutlich angepasst und unauffällig.

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar zu Irene Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert