Aufsaetze

Einbrüche

Die ersten beiden Jahre lebten wir in gnädiger Unwissenheit. Wir dachten, wo die Menschen überall so gastfreundlich sind, gäbe es weniger Diebe; auch vertrauten wir in den Schutz der einsamen Lage des Hauses, das keine Zufahrt für Autos ohne Allradantrieb und hohe Bodenfreiheit hat. Dann war die Türe aufgebrochen, als ich im Winter mit einigen Freunden anreiste, die das Haus sehen wollten. Die paar Wertgegenstände waren verschwunden – die Petroleumlampe meiner Großmutter, einige alte Bilder.

Seither begleiten die Einbrecher das Leben in der Toscana. Während in derselben Zeit in Deutschland nur einmal mein Auto aufgebrochen wurde – der Ärger, den von der Polizei abgeschleppten Wagen zurückzubekommen, überwog den Ärger über eine gestohlene Kamera bei weitem – zähle ich die Einbrüche in Vicchio schon gar nicht mehr. Ich bin jetzt über vierzig Jahre mit dem Haus verbunden, das ich gegenwärtig meist nur noch einige Wochen im Jahr bewohne. Nirgends habe ich so lange gelebt wie an diesem Ort; ich habe gesehen, wie Pinien im einstigen Olivengarten zu meterdicken Monstern aufschossen und der einst durch jährlichen Schnitt disziplinierte Feldahorn, statt die Rebe zu tragen, zu einem mächtigen Baum wurde. Und ich habe mich daran gewöhnt, nichts von Wert dazulassen und sogar eine Kiste mit Werkzeug zu verstecken. Dennoch finden die Einbrecher immer einen Grund, die Tür zu knacken; in den letzten Jahren haben sie immer den Gasherd mitgenommen, manchmal auch die Batterie für den Strom einer kleinen Solarzelle, mit der wir die Küche beleuchten und das Notebook aufladen.

Ich erfahre davon meist von Freunden, denen es Enzo sagt, ein Nachbar, der gern auf die Jagd geht und dann an unserem Haus vorbeischaut, wenn wir nicht da sind. Dann bestelle ich jemanden, der die Tür repariert. Irgendwann war ich es müde und ließ vom Dorfschmied eine eiserne Türe machen. Jetzt wird Ruhe sein!

Weit gefehlt. An Ostern wollte meine Älteste mit ihrem Freund Ferien in der Toscana machen. Dann der Anruf: schlechte Nachrichten, die eiserne Tür steht neben dem Türstock; diesmal haben die Einbrecher nicht nur wieder alles Werkzeug und eine Truhe mitgenommen, sondern auch drei Holzöfen – zwei schöne, alte aus Eisenguss und einen, den ich an einer Müllsammelstelle gefunden und vor etwas zehn Jahren angeschlossen hatte.

Alle rätseln, was das soll und wer das ist. Die meisten Nachbarn, denen wir davon erzählen, haben eine selbst erlebte Geschichte parat, eine von Freunden, von anderen Nachbarn. Die üblichen Verdächtigen sind die Extracommunitari, „Albanesi, Rumeni, Tsingari“, also Albaner, Rumänen, Zigeuner. Der Schreiner weiß, dass der ehrliche Rumäne einen erschlägt, wenn man ihn einen Zigeuner nennt. „Aber die Zigeuner kommen doch aus Rumänien?“ Andere erzählen von Süchtigen, die alles für ein paar Cent losschlagen, um Stoff zu kaufen, wieder andere kennen einen Vorbestraften, der ganz in der Nähe wohnt und über den man gar nichts Schlechtes sagen will, aber man kennt einen Mann, der gesehen hat, wie er die Motorsäge benutzte, die einem anderen gestohlen worden war.

Beunruhigend für ein fortschrittliches Gemüt ist die Nähe zur Lynchjustiz, mit der dem Opfer freimütig Trost gespendet wird. Ein Mann, der die Wiesen des Nachbarn pflegt, dem Dialekt nach ein Zuwanderer aus der Gegend von Salerno, hat gleich das Gewehr im Anschlag und will die Räuber erschießen; auch Stockprügel und scharfe Hunde werden erwogen. Das hilft dem Opfer nur wenig, und die Anzeige bei den Carabinieri wird von diesen anscheinend als bürokratischer Akt aufgefasst, um einer Versicherung (die in unserem Fall nicht existiert) Genüge zu tun. Immerhin sind die Männer heute freundlich und korrekt, anders als der Maresciallo, bei dem ich den ersten Einbruch meldete und der vorwurfsvoll sagte: Aber was wollen Sie, diese verlassenen Häuser!