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Mobbing zum Leben?

Die Niederlande

Nach dem im Jahr 2001 in Kraft getretenen niederländischen Gesetz bleiben aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid von einer Strafverfolgung befreit, vorausgesetzt:

  1. Ein Arzt muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass der Patient „freiwillig und nach reiflicher Überlegung“ um Sterbehilfe gebeten hat.
  2. Der Arzt muss davon ausgehen können, dass der Zustand des Patienten „aussichtslos und sein Leiden unerträglich ist“
  3. Der Patient muss über seinen Zustand und sein Leiden informiert sein, der Arzt muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass es in dem Stadium, in dem sich der Patient befand, keine andere Lösung gab.
  4. Ein Kollege muss bestätigen, dass er „die Lebensbeendigung medizinisch sorgfältig ausgeführt hat“.

Ob ein Arzt diese gesetzlich vorgeschriebene Sorgfaltspflicht verletzt hat, überprüft eine regionale Prüfkommission. Dieser gehören ein Arzt, ein Jurist und ein Ethiker an.

Dieses Gesetz klingt restriktiv; es ist aber in vielen Ländern nicht nur  kritisch, sondern ausgesprochen feindselig kommentiert worden. Auch dass 2003 mit insgesamt 1815 Fälle von aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden die Zahl der Fälle um 300 zurückgegangen war, wird von Kritikern nur als Beleg für eine steigende Dunkelziffer kommentiert, ohne dass sie dafür Beweise vorlegen.

Nach zehn Jahren Bewährung lässt sich jedenfalls sagen, dass die „Dammbruch“-Argumente haltlos sind. Wenn die niederländische Praxis der Sterbehilfe einen Damm einreißen würde, der in anderen Ländern noch mühsam durch die vereinten Anstrengungen von Polizei und Wortführern aus sehr verschiedenen Gruppierungen (wie Hospizbewegung, Ärztevertreter, Kirchen, Behindertenorganisationen) aufrechterhalten wird, müsste die Situation dort völlig anders aussehen.

Die Gedankenfreiheit, dass der Einzelne sein Leben beenden wollen darf, scheint dämonische Phantasien zu wecken. So lässt sich nur mit heftigen logischen Brüchen eine Verbindung zu den Euthanasie-Aktionen der NS-Zeit herstellen: In dem Konzept des „lebensunwerten Lebens“ wird der Wille der Betroffenen radikal ignoriert und durch einen Wahn von bedrohter Erbgesundheit oder Rassereinheit ersetzt. In der holländischen Regelung hingegen ist der freie Wille von zentraler Bedeutung.

Fast alle, die über das Thema diskutieren, sind sich einig, dass sinnlose Qualen durch die technischen Möglichkeiten der Lebensverlängerung den Kranken erspart werden sollten, wenn sie deren durch die Patientenverfügung ausgedrücktem oder mutmaßlichem Willen widersprechen.

Medizintechnik darf abgeschaltet werden. Mehr geht nicht. Wie alle Dammbruch-Argumente beziehen auch die angesichts der Sterbehilfe ihre Macht aus Unterstellungen. Sie könne  benutzt werden, um Kosten zu sparen. Eine dieser düsteren Unterstellungen ist die Rede vom „Mobbing zum Tode“, das den Lebenswillen von Pflegefällen bricht.

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