Vortrag
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Das Unbewusste und der Wald

Vortrag auf der Tagung: Blätterwald – Wald in den Medien

Der französische Garten – Musterbeispiel ist das Schloss in Versailles – unterwirft die Landschaft der Geometrie, dem Urbild platonischer Rationalität. Der englische Garten hingegen wurde in einer Epoche entworfen, welche immer noch die unsrige ist: Er will eine Landschaft, in der die Kultur überwiegt aussehen lassen, als sei das gar nicht der Fall. Während in der Ökonomie Mitteleuropas die Wälder aus der Offensive in den Rückzug geraten sind, dürfen sie sich im Reservat des Parks, wie wilde Tiere im Zoo, wieder vermehren. Und wie der Tiergarten-Architekt danach strebt, die Stäbe des Käfigs durch optische Tricks (wie den verborgenen Wassergraben) wegzuzaubern, so ist auch der englische Park dann besonders kunstreich, wenn er ganz natürlich anmutet. Dieser englische Garten ist nun auch eine materielle Metapher der Psychotherapie: Auch hier geht es oft darum, in einer durch Überschätzung von Rationalität und Disziplin einfühlungs- und liebesunfähig gewordene Psyche natürliche Reservate zu erschließen, Gefühlsverbote zu differenzieren, Sexualität und Aggression nicht kahlzuschlagen, bis nur die seelische Wüste bleibt, sondern Natur und Kultur wieder zu versöhnen.

Die hier skizzierte Ambivalenz des Waldes ist eines der schönsten Neben-Themen in Tolkiens großer Trilogie vom Herrn der Ringe. In Mittelerde sind die Wälder immer das Zwischenreich, aus dem Segen und Übel entspringen. Sauron, die Verkörperung des Bösen, nach dem Verlust des herrschenden Rings ohne Gestalt, gewinnt im Düsterwald eine erste Bastion. Später aber siedelt er sich in der baumlosen Wüste von Mordor an, über die der Schicksalsberg aus seinem Krater Rauchwolken speit.

Von Saurons Gegnerinnen beherrscht Galadriel ein bezauberndes Waldreich. Die Elben leben in einer Symbiose mit den Bäumen, sie können mit ihnen sprechen, ihr Wachstum lenken und ihnen jede Düsternis und Grausamkeit nehmen. Galadriels Stadt ist in Bäumen, riesigen Mallorns, auf vielen Plattformen angelegt. Aber es gibt um Lothlorien andere Wälder, in denen sich die archaische Ambivalenz erhalten hat.
Fangorn ist der größte dieser Wälder. Dort leben seit unvordenklichen Zeiten die Ents, bewegliche und doch baumische Wesen, deren Gestalten so unterschiedliche sind wie der Charakter der Bäume. In den Augen der Ents spiegelt sich das Geheimnis des Waldes: „Man hatte das Gefühl, als ob ein gewaltiger Brunnenschacht hinter ihnen lag, angefüllt mit den Erinnerungen einer unendlich langen Zeit und langem, bedächtigem, beharrlichem Denken; aber auf ihrer Oberfläche schillerte die Gegenwart: wie Sonne, die auf den äusseren Blättern eines riesigen Baumes schimmert, oder wie das Wellengekräusel auf einem sehr tiefen See.“

Pippin, der Hobbit, der dem ältesten Ent, Baumbart in die Augen blickt, schildert eine Empfindung „als ob etwas, das im Boden wächst – schlafend, könnte man sagen, oder sich einfach selbst als etwas zwischen Wurzelspitze und Blattspitze, zwischen tiefer Erde und Himmel Empfindendes -, plötzlich erwacht war und einen mit derselben bedächtigen Aufmerksamkeit betrachtete, die es seit endlosen Jahren seinen eigenen inneren Gedanken geschenkt hatte.“

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