Vortrag
Kommentare 3

Das Unbewusste und der Wald

Vortrag auf der Tagung: Blätterwald – Wald in den Medien

Die Ironie, mit der manche europäische Nachbarn das deutsche Entsetzen über das „Waldsterben“ aufgenommen haben, – le waldsterben wurde in Frankreich ein gängiges Fremdwort – ist hoffentlich das letzte Überbleibsel dieser Zeit. In neueren Untersuchungen und Beobachtungen hat sich die bewusste Einstellung zum Wald in Europa überall angenähert. Eine Mehrheit der Europäer will einen schönen, zugänglichen, artenreichen Wald; sie lehnt öde Altersklassenforste und Monokulturen ab.

Auf einem anderen Blatt steht, ob eine Mehrheit der Bevölkerung auch bereit ist, Konsequenzen zu ziehen und für Schönheit, Artenvielfalt, reine Luft und sauberes Wasser den Preis zu zahlen, den diese Güter nun einmal kosten. Mein letzter Gedanke weist auf einen Teil der seelischen Bedeutung des Waldes hin, die wir nicht übersehen dürfen. Der Wald ist, um es etwas überpointiert zu sagen, auch ein Psychotherapeut, ein wichtiger Teil unserer seelischen Hygiene, eine Möglichkeit, Belastungen auszugleichen, die zu Depressionen führen, wenn wir keine solchen Kompensationsmöglichkeiten finden.

Leichte Depressionen können ausgeglichen werden können, wenn Menschen die Möglichkeit haben, sich vor solchen Belastungen in eine Art Kokon aus Grün zurückzuziehen und sich in ihn einzuspinnen, bis sich ihre Kräfte regeneriert haben. Schwere Störungen hingegen führen oft dazu, dass ein Aufenthalt im Wald als bedrohlich erlebt wird; er kann dann Ängste nicht mehr lindern, sondern verstärkt sie. Wie wichtig allein der Blick ins Grüne für den Menschen ist, zeigt eine Untersuchung an der Universität von Pennsylvanien: Dort wurden Patienten verglichen, die eine chirurgische Operation auskurieren mussten. Die unter ihnen, welche in Zimmern mit einem schönen Blick auf den Krankenhauspark lagen, genasen nicht nur schneller, sie waren auf freundlicher zum Pflegepersonal.

Zu den ältesten Modellen über den Aufbau des menschlichen Nervensystems gehört die Konzeption einer pflanzlichen (vegetativen) und tierischen (animalischen) Schicht unter dem menschlichen Geist. Dieses Modell konzipiert eine Einheit des Lebens, wie sie auch in den magischen Mythen vom Erwachen der Bäume steckt.

Tatsächlich ist jeder Psychotherapeut erleichtert, wenn ihm schwer traumatisierte, in ihren Liebesbeziehungen scheiternde Menschen erzählen, sie seien stolz auf ihre grünenden Pflanzen, ihren Garten, auf eine Katze, einen Vogel, einen Hund. Denn wer eine Pflanze oder ein Tier in sein Herz geschlossen hat, wer es auf sich nimmt, für sie zu sorgen und – ganz ohne Esoterik – handelnd mit ihnen in Austausch zu treten, der ist vor den ärgsten seelischen Katastrophen geschützt.

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert